Die Invasion - 5
früher oder später Wave Thunder oder einer seiner Spione etwas entdeckt, das sich bis zu Ihnen zurückverfolgen lässt. Nun, Cayleb mag frömmlerisch verkünden, er werde keinesfalls zu Repressalien greifen. Im selben Atemzug hat er nur allzu deutlich gemacht, dass er jeden mit ganzer Härte bestraft, der den bewaffneten Widerstand gegen die Krone oder Staynairs korruptes Regime innerhalb der Kirche unterstützt.«
»Es ist wahrlich nicht meine Absicht, zum Märtyrer zu werden, Mein Lord«, gab Banahr ernsthaft zurück. »Aber ich fürchte mich auch nicht davor! Wenn es Gottes Wille ist, dass ich den Tod finde, während ich Sein Werk tue, dann bin ich über alle Maßen gesegnet.«
»Das ist wahr, Pater«, sagte Halcom leise, und sein Blick wirkte sehr sanft. »Das ist wirklich wahr! Und tatsächlich ist es auch diese unumstößliche Wahrheit, die es mir ermöglicht, wieder in ›das Maul des Drachen‹ zurückzukehren, wie Sie es so schön ausgedrückt haben. Und früher oder später werden Cayleb und Staynair - und ja, sogar Seijin Merlin - herausfinden, dass sie letztendlich keinen Menschen zu besiegen vermögen, der sich dieser Gewissheit erinnert. Und wenn sie das herausfinden, dann werden sie selbst vor Gott und Langhorne Rechenschaft ablegen müssen, und das, Pater Ahzwald, wird ihnen ganz und gar nicht gefallen!«
Februar,
im Jahr Gottes 893
.I.
Cherayth, Königreich Chisholm,
Kaiserreich Charis
»Willkommen in Cherayth, Euer Majestät.«
Der Mann, der am Fuße der Gangway gewartet hatte, verneigte sich tief, als Cayleb Ahrmahk, Kaiser von Charis, den gemauerten Kai betrat und zum ersten Mal den Fuß auf chisholmianischen Boden setzte. Dem hochgewachsenen Chisholmianer mit der tiefen, kräftigen Stimme war Cayleb noch nie begegnet. Aber er wartete schon seit langem darauf, die Bekanntschaft dieses älteren Herrn zu machen - nicht ohne ein gewisses Maß an innerer Unruhe. Glücklicherweise schien der Chisholmianer aufrichtig erfreut, seinen Kaiser zu begrüßen. Cayleb war sich dessen allerdings nicht ganz sicher. Unter den gegebenen Umständen haperte es an einer einwandfreien Akustik - Cayleb konnte den Mann schlicht kaum verstehen. Das lag nicht am beißend kalten Wind, der Cayleb um die Ohren pfiff (der Wind war so eisig, dass Caylebs Südsee-Blut dankbar war für den schweren Wintermantel, dem man dem Kaiser vor dem Anlanden vorausschauend gereicht hatte). Es lag an der Lautkulisse, die unter anderem von den zahllosen charisianischen Kriegsschiffen und charisianischen Transportern herrührte, alle bis zur Oberkante vollgepackt mit charisianischen Marines: Das Hafenbecken hinter Cayleb, ja gar die ganze Cherry Bay mit ihren gewaltigen Ausmaßen war hoffnungslos überfüllt von dieser Streitmacht. Eine Invasionsstreitmacht, die gekommen wäre, um Cherayth zu plündern, war das allerdings nicht. Das bewiesen die vierundzwanzig Schuss Salut, deren Widerhall noch über dem Hafen hing wie die Pulverdampfwolke, die der eisige Wind sich anschickte zu zerstreuen. Zwar schwiegen die Kanonen jetzt; die Menge der Chisholmianer tat es nicht, die dicht gedrängt die Ufer und die Kaianlagen säumten und dabei nur jeden erdenklichen freien Platz für sich in Anspruch nahmen. Die weitaus meisten der vernehmlichen Rufe aus dieser Menge klangen enthusiastisch. Nicht alle - das hatte Cayleb auch nicht erwartet -, aber eben doch die meisten. Doch so willkommen ihm der jubelnde Empfang auch sein mochte: Die johlende Menge tat ihr Übriges, um eine Verständigung zwischen dem hohen Besuch und dem Mann, der ihn begrüßte, schwierig zu gestalten.
»Ich danke Ihnen, Mein Lord«, erwiderte Cayleb mit erhobener Stimme, um den herrschenden Lärm zu übertönen. Dann trat er auf den Alteren zu und streckte ihm die Rechte entgegen. Mahrak Sahndyrs, Baron Green Mountain und zugleich Erster Ratgeber des Königreichs Chisholm, schien diese Geste zu überraschen. Einen Sekundenbruchteil lang zögerte er, dann richtete er sich aus seiner Verneigung wieder auf und umschloss mit beiden Händen den Unterarm des Mannes, der nun sein Kaiser war.
Der Jubel verdoppelte seine Lautstärke, und Cayleb lächelte - ein wenig. Er nahm an, dass es Regenten gab, die der Ansicht waren, es sei zwingend notwendig, auf ihre kaiserliche Würde zu achten, wenn sie jemandem in Green Mountains Amt zum ersten Mal gegenübertraten. Der Baron war der Mentor, der Beschützer und effektiv so etwas wie ein zweiter Vater für Königin Sharleyan von
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