Die Invasion - 5
Deckung zu unterlaufen, und dann ist es vorbei mit diesem Seijin Merlin!«
»Ihr habt gewiss Recht, Mein Lord, aber trotzdem ...«
Banahr beendete den Satz nicht, und Halcom stieß ein Schnauben aus.
»Im Augenblick, Pater, ist es den Zielen Staynairs, Caylebs und ihrer Spießgesellen offensichtlich dienlich, die Fähigkeiten und Leistungen dieses Athrawes ... sagen wir: übermäßig zu betonen. Schließlich ist er Caylebs persönliche Leibwache. Das Volk glauben zu lassen, er sei eine Art unfehlbarer Übermensch, wird gewiss viele davon abhalten, sich an einem Attentat auf den Kaiser auch nur zu versuchen. Und wenn jemand bereitsteht, der in der Lage ist, ›in wundersamer Weise‹ einzugreifen, um Cayleb oder Staynair zu retten, so ist das eine weitere Möglichkeit für sie, deutlich zu zeigen, dass Gott wahrlich auf der Seite der Abtrünnigen steht. Hätte der Allmächtige denn sonst einen Beschützer wie diesen Seijin Merlin geschickt, der sich um Cayleb kümmert und Staynair vor dem sicheren Tod bewahrt, wenn der Allmächtige nicht auf deren Seite stünde? Daher liegt es wohl kaum in deren Interesse, die Leistungen dieses Mannes herunterzuspielen, nicht wahr?«
»Wohl nicht«, sagte Banahr mit leicht skeptischem Unterton, und Halcom verkniff sich ein Seufzen. Dass der Prior derart besessen von den anscheinend übermenschlichen Fähigkeiten dieses Captain Merlin Athrawes war, unterstrich doch nur, was Halcom gerade erklärt hatte! Viele von Caylebs Unterstützern in seinem wahnsinnigen, unendlich arroganten Angriff auf die Autorität Gottes sahen in Athrawes tatsächlich eine Verkörperung von Gottes Zustimmung. Es war zutiefst verführerisch, die Besorgnis Banahrs und aller anderen auszunutzen und Athrawes als einen Dämonen-Diener hinzustellen - oder vielleicht gar selbst als Dämon. Selbstverständlich hätte das hilfreich sein können - zumindest beim einfachen Volk, bei denjenigen also, die weniger gebildet und leichtgläubiger waren. Doch es waren mehr als siebenhundert Jahre vergangen, seit zum letzten Mal tatsächlich jemand einen Dämon gesehen hatte. Nun zu verkünden, dieser Athrawes sei ein solch urböses Wesen, würde dazu führen, dass Mutter Kirche aus den Reihen der Gebildeteren und Informierteren mindesten ebenso viele Unterstützer abhanden kämen, wie sie sie zuvor durch die Anschuldigungen gegen Athrawes gewonnen hätte. Wollten Mutter Kirche und ihre treuen Diener aber im Kampf gegen die Schismatiker erfolgreich sein, brauchten sie die Unterstützung der gehobenen gesellschaftlichen Kreise mehr als die der einfachen Leute. Abgesehen davon durfte die Kirche den Propagandisten der Schismatiker auf gar keinen Fall die Möglichkeit bieten, die Tempelgetreuen für ihre ›lächerlichen Behauptungen‹ zu verspotten.
Wobei ich nicht verhehlen möchte, dass es immer wieder Augenblicke gibt, in denen selbst ich beinahe schon bereit bin zu glauben, dieser Merlin Athrawes sei tatsächlich ein Dämon, gestand sich Halcom ein. Ich habe zum Beispiel nicht die Absicht, Banahr zu erzählen, wie Merlin ›rein zufällig‹ gerade rechtzeitig aufgetaucht ist, um diesen Mistkerl Mahklyn aus dem Feuer zu retten, das wir für ihn vorbereitet hatten. Aber wenn er wirklich ein Dämon wäre, dann wäre er rechtzeitig eingetroffen, um auch noch den Rest ihrer geliebten Königlichen Hochschule zu retten. Der Bischof lächelte in sich hinein und dachte an die Aufzeichnungen, die den Flammen zum Opfer gefallen waren - das Werk ganzer Jahrzehnte. Es ist völlig unmöglich, dass die das alles jemals wieder zusammenbringen, und ein echter Dämon hätte das auch begriffen und wäre vielleicht eine halbe Stunde früher erschienen. Ein echter Dämon hätte auch einfach dafür gesorgt, dass unsere Brüder festgenommen - oder getötet - worden wären, bevor sie Staynair nahe genug gekommen waren, um ihn anzugreifen. Die Art und Weise, wie dieser Seijin sie getötet hat, war zweifellos spektakulär. Aber dass er zugelassen hat, dass wir so nahe an Staynair herankommen konnten, beweist doch nur, wie fest entschlossen die Opposition in ihrem Widerstand gegen deren ach so geliebte Kirche von Charis‹ wirklich ist.
»Vertrauen Sie mir, Pater«, sagte er laut. »Gott wird keinerlei dämonische Eingriffe dulden. Zumindest nicht derart offen. Aber in einer Hinsicht hat Staynair, verdammt soll er sein, tatsächlich Recht: Gott hat den Menschen mit einem freien Willen geschaffen. Dass Menschen diesen freien Willen dazu nutzen,
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