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Die Invasoren von Ganymed

Die Invasoren von Ganymed

Titel: Die Invasoren von Ganymed Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick , Ray Nelson
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Lunsford, der Größte überhaupt, kam aus South Turkey Creek, North Carolina. Uncle Dave Macoon…«
    »Eine Münze.«
    »Was?«
     »Wenn Sie Auskünfte erhalten wollen, dann müssen Sie eine UN-Silbermünze in den dafür vorgesehenen Schlitz einwerfen, der sich gut erreichbar in Ihrer Augenhöhe befindet, ein wenig links von Ihnen.«
     »Von diesen Namen ist dir vermutlich kein einziger bekannt?« fragte Joan Hiashi.
    »Nein«, gab das heruntergekommene Hotelzimmer zögernd zu.
    »Eine der ersten echten Jazzaufnahmen«, erklärte Joan, während sie sich auf dem engen, schiefen Bett niederließ und ihre Geldbörse öffnete, »wurde 1927 von der Brunswick Company auf Platten übertragen. Reverend Edward Clayburn sang True Religion. Das war vor hundertundzwanzig Jahren.« Sie zog eine Packung von Nirvana-Marihuanazigaretten mit Filtermundstück heraus und zündete sich eine an. Sie waren nicht die besten, aber da sie von der Firma hergestellt wurden, für die sie arbeitete, bekam sie sie umsonst. »Ich weiß«, fuhr sie fort, »daß sich in diesem abgeschlossenen und hinterwäldlerischen Gebiet noch immer beachtliche musikalische Talente entfalten. Ich möchte sie aufspüren und für meine Fernseh-Show auf Videoband aufzeichnen.«
     »Dann habe ich es also mit einer Persönlichkeit zu tun?« erkundigte sich das Hotelzimmer.
     »Das kannst du wohl sagen. Ich habe zwanzig Millionen Zuschauer. Und das Büro für Kulturüberwachung hat mich mit einer Auszeichnung für die beste Musiksendereihe des Jahres geehrt.«
     »Dann«, stellte das Hotelzimmer ungerührt fest, »können Sie sich eine Münze wirklich leisten.«
    Sie spendierte der Apparatur eine Münze.
     »Zufällig«, begann das Hotelzimmer, nun schon erheblich lebhafter, »habe ich bei einer früheren Gelegenheit einmal eine eigene Ballade komponiert. Ich singe im Stil von Doc Boogs. Die Ballade heißt…«
     »Hotelzimmer«, erklärte Joan, »sind selbst dann noch nicht ethnisch zu nennen, wenn sie ziemlich heruntergekommen sind.« Sie hätte schwören können, daß sie das Hotelzimmer seufzen hörte. Es war seltsam. Je älter und abgenützter diese Maschinen waren, desto leichter unterliefen ihnen Fehler; deshalb erschienen sie manchmal fast menschlich. Irritiert schlug sie gegen die Aus-Taste, und das Ding verstummte endlich. Sie brauchte Ruhe, um ihre nächsten Schritte zu überlegen.
     Die Berge von Tennessee wurden von den unberechenbaren Banden der Neeg-Parts kontrolliert; wenn sie nicht mit den Bürgern und den Plantagen zusammenarbeiteten und erst recht nicht mit den Besatzungsbehörden der Ganymedianer, auf welcher Basis sollte sie sich ihnen dann nähern? Konnte ihr ihre Reputation dabei helfen? Selbst das heruntergekommene Hotelzimmer, vermutlich um ‘99 herum entstanden, hatte noch mitmischen wollen. Es war daher durchaus denkbar, daß sogar Percy X der Verlockung eines größeren Publikums erliegen würde. Schließlich hatte jeder ein Ego, das er befriedigen mußte.
    Es war zu schade, überlegte sie, daß sie sich nicht einfach kaffeebraun bemalen konnte, um als Neeg durchzugehen und sich ihnen zeitweise anzuschließen – nicht als mutmaßlicher weißer Feind, sondern als neue Rekrutin.
    Sie besah sich kritisch in dem verschmutzten Spiegel.
     Das japanische Blut war unglücklicherweise schon ziemlich ausgedünnt. Es verlieh ihr seidenglänzende schwarze Haare, entsprechende Augen und einen zierlichen kleinen Körper… aber das war auch schon fast alles. Sie hatte gehört, daß es unter den Neeg-Parts auch Indianer geben sollte. Unsinn, warf sie sich selbst vor; ich brauche mir nichts vorzumachen: Ich bin eine Weiße. Und weiß bedeutet für diese Abkömmlinge der Black Muslims noch immer weiß.
     Sie entnahm ihrem Gepäck ein Paar enganliegender, aber wärmender blauer Coveralls. Sexy, aber geschmackvoll und nach der neuesten Mode. Sie hatte gesehen, was die Frauen in dieser abgelegenen Zone teilweise an merkwürdigen Kleidern trugen; aber sie hätte es niemals fertiggebracht, solche Museumsstücke anzulegen, selbst wenn sie damit weniger aufgefallen wäre.
     Die Unisex-Mode, die sich in der Welt außerhalb schon seit mindestens fünfzig Jahren durchgesetzt hatte, schien noch nicht bis nach Tennessee vorgedrungen zu sein. Dies war möglicherweise der einzige Ort der Welt, an dem sich die Kleidung der Frauen noch von der der Männer unterschied.
     Sie ging auf das Audiophon zu, das nur noch an wenigen Schrauben an der Wand hing, und

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