Die irische Heilerin
Anschließend trat sie auf Connor zu und nahm sein Gesicht in ihre Hände. „Nur wenige Männer würden das tun, was du heute für mich getan hast.“
„Ich habe nur wenig zu verlieren“, erinnerte er sie. Er zog sie an sich und strich ihr übers Haar. Eileen hätte bei der zärtlichen Geste in Tränen ausbrechen können. Warum musste sie ausgerechnet diesen Mann lieben? Es riss sie in Stücke, zu wissen, dass er seine Ehre mehr schätzte als sein Leben.
Mehr als sie.
Sie löste sich aus seiner Umarmung und begab sich zum Feuer. Sie füllte den Topf wieder mit Wasser und wünschte, sie wüsste, was sie sagen sollte. Letztlich blieb sie stumm. Die wenigen Momente, die sie noch zusammen verbrachten, musste sie auskosten. Mehr konnte sie nicht tun. Er würde bald gehen.
Einige Stunden vor Sonnenaufgang wachte Whelon auf. Seine Augen leuchteten, als er die beiden Menschen an seinem Lager erkannte. Eileen saß direkt neben ihm, Connor ihr gegenüber.
„Ihr seid hier“, flüsterte er, ein sanfter Schein der Freude in seinen Augen. „Ich hatte gehofft, dass ihr kommt.“
Eileen strich ihm das Haar aus der Stirn. „Möchtest du etwas Brühe oder Wasser?“
Whelon schüttelte den Kopf. Er blickte Connor ernst an. „Vielen Dank für das Schwerttraining.“
Connor winkte ab und nahm die Hand des Jungen in die seine. Die missgeformten Finger umschlossen Whelons kleinere Hand. „Du musst noch viel lernen.“
Das Strahlen auf dem Gesicht des Jungen wurde intensiver. „Ich habe so viel gelernt, wie ich kann.“
„Bring mir das Weihwasser, Eileen“, sagte Connor. Die Eindrücklichkeit seiner Worte enthüllte ihr, was sie nicht wahrhaben wollte.
„Nein. Er wird nicht sterben.“ Sie weigerte sich, den Knaben aufzugeben. „Ich werde das nicht zulassen.“
„Ist in Ordnung, Eileen“, sagte Whelon. Seine aufgesprungenen Lippen verzogen sich zu einem Lächeln. „Jetzt werde ich ein richtiger Krieger sein.“
Tränen liefen ihr über das Gesicht. „Du kannst auch hier auf Erden ein Krieger sein.“
„Kein ganzer.“Whelon hob den Blick zum Himmel.„Lass mich gehen, Eileen.“
Connor benetzte seine Stirn mit dem Weihwasser und murmelte leise die Worte der letzten Ölung. Eileen schloss sich ihm an und schmeckte das Salz ihrer Tränen auf ihren Lippen.
Reine und ungebrochene Freude zeigte sich in den Augen des Jungen. Frieden kam über sein Gesicht, und er nahm Connors Hand und die von Eileen. Mit Mühe legte er sie ineinander. Eileens Finger verschränkten sich mit denen von Connor.
Und damit tat der Junge seinen letzten Atemzug.
15. KAPITEL
Das harte Klirren zerberstenden Glases hallte durch Eileens Cottage. Connor trat still zurück, während sie nun Ton- und Ledergefäße mit Medizin und Kräutern zu Boden riss. Tränen strömten über ihr Gesicht, als sie eine Hand zur Faust ballte und sie gegen die unnachgiebigen Wände ihrer Hütte schlug. Flüche drangen aus ihrem Mund, während sie ihre Wut an den unschuldigen Holzbalken ausließ.
„Eileen.“ Sanft benutzte er seine Stärke, um sie zu beruhigen, versuchte sie in seinen Armen zu halten. „Nicht.“
„Er hätte nicht sterben dürfen.“ Zorn brannte in ihren Augen, deren Farbe einem Gewitterhimmel glich. Sie sank auf die Knie, ihre Schultern zusammengezogen. Sie verkroch sich in eine dunkle Ecke des Raumes, zitternd vor Erschöpfung und Trauer.
„Sieh mich an.“ Er setzte sich neben sie und nahm ihre Hand. Ihre Haut war eiskalt. „Es ist nicht deine Schuld.“
Er wollte ihr den Schmerz nehmen, es ihr auf irgendeine Weise leichter machen. Aber Worte waren nicht genug, um besänftigend auf ihren Kummer einzuwirken.
Sie sah zu ihm auf, ihr Gesichtsausdruck war der einer gebrochenen Frau. „Ich denke immer wieder, dass ich ihn vielleicht hätte retten können, wenn ich mehr von Kyna gelernt hätte. Oder vielleicht eine andere Kräutermischung versucht hätte …“
„Nein. Du hast alles getan, was du konntest.“ Er half ihr dabei, wieder aufzustehen. Als sie wieder aufrecht stand, zog er sie an sich heran und bot ihr den Trost seiner Arme.
„Connor?“, flüsterte sie. Sie hob das Kinn. Ihr Mund war nur wenig von dem seinen entfernt. Beim heiligen Belenus, er wollte sie küssen. Aber wenn er diesem wilden Verlangen nachgab, würde er nicht wieder aufhören können. „Willst du mir helfen, all dies zu vergessen?“
Eileen machte einen Schritt zurück. Ihr dunkles Haar hing ihr über die Schultern. In seiner Fantasie zeigte sich
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