Die irische Heilerin
Korb mit den Kräutern zeigte. „Soll ich Wasser übers Feuer hängen?“
Seine Frage holte sie zurück in die Realität. Whelon brauchte sie. Und sie musste alles tun, was nötig war. Sie wollte um sein Leben kämpfen.
„Ja. Ich werde es später benötigen, um einen Weidenrindentrank für ihn zuzubereiten.“
Eileen schnürte die Tunika des Jungen auf. „Kühle seinen Körper mit Wasser, um das Fieber zu senken“, wies sie Connor an. „Ich werde den Ausschlag behandeln.“
Eileen wählte das Fläschchen mit Nardenöl. Der intensive Duft der Baldrianwurzel erfüllte den Raum, als sie ein wenig davon auf ihre Finger tat.
In der Hoffnung, dass es den Ausschlag lindern würde, rieb sie Whelons Haut mit dem Öl ein. Still murmelte sie einen Heilgesang, der die Dämonen der Krankheit vertreiben sollte. Jeden einzelnen Körperteil massierte sie mit der Tinktur ein, selbst seinen Beinstumpf. Er zitterte, als würde er von unsichtbaren Feinden bedrängt.
Als die Weidenrinde lange genug gezogen hatte, hielt Connor Whelons Kopf hoch, während Eileen ihm ganz vorsichtig den Trank einflößte.
Die Stunden vergingen, während sie ihm weiterhin zu trinken gab und das Öl auf seinen Schwären verteilte. Und noch immer stieg das Fieber. Mitten in ihrem Tun starrte sie zur Tür hinüber und blickte schließlich zu Connor. „Ich kann nicht glauben, dass sie ihn hier allein zurückgelassen haben.“ Auch wenn sie Brenda und Laegaire nie zu ihren Freunden gezählt hatte, verärgerte sie das skrupellose Verhalten. Die Angst vor der Krankheit ließ sie alle Zuneigung, die sie je für Whelon empfunden hatten, vergessen.
„Vielleicht haben sie sich aufgemacht, um Hilfe zu holen. Vielleicht sind sie bei dem Priester.“ Connor suchte nach einer Erklärung. Aber sie kannten beide die Wahrheit. Das Paar hatte nur an sich selbst gedacht.
„Wir müssen es Séamus erzählen“, sagte Connor.
„Ich weiß.“ Sie goss mehr von dem Öl in ihre Handfläche. „Aber erst dann, wenn ich alles für ihn getan habe, was in meiner Macht steht.“
Connor half ihr, mehr von dem Weidenrindentrank zuzubereiten. Schweigend stand er ihr zur Seite. Eine Stunde zuvor war er auf ihre Bitte hin zu Maeve gegangen, um nach ihr zu sehen. Die Frau klammerte sich ans Leben, und er hatte ihr ebenfalls etwas von dem Trank und dem Nardenöl gebracht. Zudem hatte er eine Frau gefunden, die sich weiter um sie sorgen würde.
Nicht jeder stirbt, rief sich Eileen erneut in Erinnerung. Maeves bisheriges Überleben gab ihr einen Funken Hoffnung. Aber Whelons Fieber war noch immer nicht heruntergegangen. Es schien, dass mehr und mehr Male auf seinem Körper sichtbar wurden, ganz gleich, was sie tat.
Als die Nacht einbrach und nur noch das Licht des Feuers den Raum der Hütte erhellte, legte Connor seine Hand auf ihre Schulter. „Hast du keine Angst, selbst krank zu werden?“
„Nicht mehr als du, wenn du die Klinge gegen einen Feind erhebst. Es ist meine Pflicht, mich gegen die Dämonen der Kranken zur Wehr zu setzen.“ Aber es gab dennoch einen Unterschied: Sie musste auf andere Art kämpfen als er. Sie konnte ihrem Feind nicht von Angesicht zu Angesicht begegnen.
„Ich hatte als Kind die Blattern“, sagte er plötzlich. „Auch wenn ich mich nicht mehr daran entsinne, vergessen werde ich jedoch nie die Tränen meiner Mutter.“
„Du hast keinerlei Narben davon zurückbehalten“, bemerkte Eileen erstaunt.
„Nicht an Körperstellen, die man normalerweise zu Gesicht bekommt. Es sei denn, deine Erinnerung ist besser als meine.“
Bei der Vorstellung, dass sie ihn nackt gesehen hatte, verspannte sie sich. Sie hatte sich ihm letzten Abend an den Hals geworfen. Er hatte sie nicht gewollt, hatte ihr zu verstehen gegeben, dass sie nicht beieinanderliegen sollten.
Sie biss sich auf die Lippen und fragte sich, ob sie ihm die Wahrheit hätte sagen sollen. Dass sie ihn schon zuvor verführt hatte.
„Es ist sehr spät“, sagte Connor in die eingetretene Stille hinein. „Willst du dich nicht ausruhen? Ich werde bei dem Jungen Wache halten.“
Sie schüttelte den Kopf. „Nicht jetzt.“ Würde sie sich dem Schlaf hingeben, käme es ihr vor, als würde sie dem Tod einen Zugang gewähren. Sie wollte für keinen einzigen Moment abgelenkt sein. „Aber wenn du müde bist, willst du dich vielleicht hinlegen.“
„Wenn du wach bleibst, so ist es keine Frage, dass ich dir weiter helfe.“
Sie warf einen Blick zu Whelon hinüber, der jetzt schlief.
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