Die irische Signora
wenn wir lernen, wie man in einem italienischen Restaurant eine Bestellung aufgibt. Sie können auch eine Ladentheke darstellen oder ein Auto in einer Werkstatt.«
Erstaunt sah Lou sie an. Zwar hatte sie offenbar nicht alle Tassen im Schrank, aber in diesem Augenblick hätte er sie küssen mögen. »Kluge Frau, die Signora«, murmelte er und stapelte die Schachteln ordentlich aufeinander.
Er konnte nicht mit Robin in Kontakt treten, war jedoch keineswegs überrascht, als dieser ihn in der Arbeit anrief.
»Ich komm lieber nicht bei dir vorbei. Diese Zinnsoldaten spielen seit ein paar Tagen regelrecht verrückt. Kann keinen Schritt tun, ohne daß mir fünf Mann folgen.«
»Ich hab was gefunden«, sagte Lou.
»Ich wußte, daß ich mich auf dich verlassen kann.«
Lou erzählte ihm, worum es sich handelte und daß jeden Dienstag und Donnerstag dreißig Leute dort sein würden.
»Prima«, meinte Robin. »Hast du dich eingeschrieben?«
»Für was?«
»Na, für diesen Kurs natürlich.«
»Himmel, Robin, ich kann nicht mal ordentlich Englisch. Was soll ich da Italienisch lernen?«
»Ich zähle auf dich«, erwiderte Robin nur und legte auf.
Als Lou abends nach Hause kam, lag dort ein Umschlag für ihn, mit fünfhundert Pfund darin und einem Zettel: »Kostenbeitrag für Sprachkurs.« Robin meinte es ernst.
»Du willst
was
?«
»Na, du sagst doch immer, daß ich was tun soll, um weiterzukommen, Suzi. Warum denn nicht?«
»Damit habe ich gemeint, daß du dich mehr in Schale werfen, eine besser bezahlte Stellung suchen sollst. Und nicht, plötzlich verrückt zu spielen und eine Fremdsprache zu lernen.« Suzi war fassungslos. »Lou, du spinnst. Das kostet eine Stange Geld. Die arme Signora hat schon Angst, daß es den Leuten zu teuer ist, und da kommst du aus heiterem Himmel an und willst mitmachen. Ich fasse es einfach nicht.«
Lous Stirnrunzeln war noch finsterer als sonst. »Das Leben wäre ziemlich öde, wenn wir den anderen immer verstehen würden«, brummte er.
Aber Suzi fand, daß das vieles vereinfachen würde.
Als Lou zu seiner ersten Italienischstunde ging, tat er es wie ein zum Tode Verurteilter auf dem Weg zum Galgen. In der Schule hatte er nicht gerade geglänzt. Und nun lagen weitere demütigende Erfahrungen vor ihm. Doch dann machte es ihm überraschenderweise sogar Spaß. Zuerst fragte diese schrullige Signora sie alle nach ihren Namen und gab ihnen alberne bunte Pappschilder, auf die sie ihre Namen schreiben sollten – allerdings die italienische Form davon.
Aus Lou wurde Luigi. Das gefiel ihm nicht schlecht. Es klang wie der Name eines wichtigen Mannes.
»
Mi chiamo Luigi
«, sagte er und starrte finster die anderen Leute im Klassenzimmer an, die beeindruckt schienen.
Es war ein seltsamer Haufen, der sich da zusammengefunden hatte. Eine Frau glitzerte wie ein Weihnachtsbaum, soviel Schmuck trug sie. Dabei hätte jeder, der seine fünf Sinne beisammen hatte, gewußt, wie gefährlich so etwas in der Gegend des Mountainview College war. Und sie fuhr einen BMW . Lou hoffte, daß Robins Freunde den Wagen in Ruhe lassen würden. Denn die Frau, der er gehörte, war zufälligerweise sehr nett, und sie hatte traurige Augen.
Dann saß da ein freundlicher älterer Mann, der in einem Hotel als Nachtportier arbeitete; er hieß Laddy, und auf seinem Schild stand Lorenzo. Außerdem besuchten eine Mutter mit ihrer Tochter den Kurs, eine umwerfende Blondine namens Elisabetta mit ihrem sehr ernsthaften Freund, der Anzug und Krawatte trug, und noch ein Dutzend andere Menschen, die man hier nicht erwartet hätte. Vielleicht fanden sie es ja überhaupt nicht seltsam, daß er hier saß. Es erschien ihnen womöglich völlig normal.
Zwei Wochen lang fragte sich allerdings Lou, was er hier verloren hatte. Dann hörte er von Robin. Nächsten Dienstag würden ein paar Schachteln eintreffen, gegen halb acht, kurz bevor der Kurs begann. Vielleicht konnte er sich ja darum kümmern, daß sie in den Wandschrank in der Eingangshalle kamen?
Lou hatte den Mann im Anorak noch nie gesehen. Er hatte auch lediglich nach dem Lieferwagen Ausschau gehalten. Und es trafen gerade so viele Leute ein, die ihre Fahrräder und Motorroller abstellten, die Dame parkte ihren BMW , und zwei Frauen fuhren in einem Toyota Starlet vor … da erregte der Lieferwagen überhaupt kein Aufsehen.
Es handelte sich um vier Schachteln, die sie blitzschnell in die Kammer räumten. Und schon war der Mann im Anorak samt Lieferwagen wieder
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