Die irische Signora
neuen Job suchen konnte. Und er wußte, daß stundenlange polizeiliche Ermittlungen vor ihm lagen. Vor ihnen allen.
Einer der Polizisten erkannte Lous Adresse wieder. »Da war ich doch erst vor kurzem. Eine Jugendgang hatte dort ausgeräumt.«
»Ja, das stimmt. Und meine Eltern sind der Polizei wirklich sehr dankbar, daß sie ihr Eigentum wieder zurückerhalten haben.«
Über dieses Lob in aller Öffentlichkeit freute sich der Polizist ungemein, obwohl ja eigentlich nicht die Tüchtigkeit der Polizei, sondern ein anonymer Tip zur Entdeckung des Diebesguts geführt hatte. Und Lou hielt man für einen riesengroßen Pechvogel. Die Angestellten sagten aus, daß es sich bei ihm um einen netten Kerl handle, der in so krumme Dinger nicht verwickelt sein könne. Auch in dem Elektrogeschäft stellte man ihm ein gutes Zeugnis aus. Außerdem war er mit der Ratenzahlung für seinen Wagen nicht im Rückstand und hatte keinen Tropfen Alkohol im Blut. Lou Lynch hatte eine blütenweiße Weste.
Doch diesmal dachte er am nächsten Tag nicht an Robin und das Kuvert und wieviel wohl drin sein mochte. Statt dessen wanderten seine Gedanken immer wieder zu der wunderschönen Suzi Sullivan. Er würde sie belügen und ihr die offizielle Version der Geschichte auftischen müssen. Hoffentlich war sie nicht allzu sauer auf ihn.
In seiner Mittagspause ging er mit einer roten Rose in der Hand zu dem Café, wo sie arbeitete. »Danke für den gestrigen Abend.«
»Da gibt es nicht viel zu danken«, beschwerte sich Suzi. »Der hatte schließlich kaum angefangen. Aschenbrödel mußte ja gleich wieder nach Hause.«
»Heute abend wird das anders«, meinte Lou. »Das heißt natürlich, wenn Sie wollen.«
»Mal sehen.« Suzi wollte sich nicht festlegen.
Von da an trafen sie sich beinahe jeden Abend.
Lou wollte gern, daß sie wieder mal in die Disco gingen, in der sie sich kennengelernt hatten. Aus sentimentalen Gründen, wie er behauptete. In Wahrheit wollte er sich einfach mal wieder dort blicken lassen, damit die Angestellten nicht glaubten, er würde nach dem Überfall einen Bogen um ihren Laden machen.
Haarklein erzählte man ihm, was passiert war. Offenbar waren vier Männer mit Pistolen in den Bus eingedrungen und hatten den Insassen befohlen, sich auf den Boden zu legen. Dann hatten sie sich sämtliche Taschen geschnappt und waren in Sekundenschnelle verschwunden. Pistolen. Lou wurde ein bißchen flau im Magen, als er das hörte. Irgendwie hatte er gedacht, daß Robin und seine Freunde noch immer mit Knüppeln herumfuchtelten. Aber das war natürlich schon mehr als fünf Jahre her, die Welt hatte sich seitdem weitergedreht. Der Geschäftsführer der Discothek war gefeuert worden, und die Tageseinnahmen wurden jetzt jede Nacht mit einem gepanzerten Fahrzeug mit kläffenden Hunden darin abgeholt. Da hätte man für einen Überfall schon eine halbe Armee gebraucht.
Als Lou drei Wochen später abends aus der Arbeit kam, wartete Robin auf dem Parkplatz auf ihn. Wieder überreichte er ihm einen Umschlag. Und wieder steckte Lou ihn ein, ohne nachzusehen, was drin war.
»Danke«, sagte er nur.
»Willst du denn gar nicht wissen, wieviel es ist?« Robin wirkte enttäuscht.
»Nicht nötig. Ihr wart bisher immer fair zu mir.«
»Tausend Pfund«, lächelte Robin stolz.
Das war tatsächlich ein Grund zur Freude. Lou öffnete das Kuvert und strich über die Geldscheine. »Großartig«, nickte er.
»Bist ein guter Mann, Lou. Du gefällst mir«, meinte Robin und brauste davon.
Mit tausend Pfund in der Tasche und dem schönsten rothaarigen Mädchen weit und breit fühlte sich Lou Lynch wie der größte Glückspilz auf Erden.
Seine Romanze mit Suzi entwickelte sich höchst erfreulich. Denn mit seinem Anteil war er in der Lage, ihr schöne Dinge zu kaufen und sie in gute Lokale auszuführen. Doch als er wieder einmal eine Zwanzig-Pfund-Note aus der Tasche zog, reagierte sie anders als erwartet.
»He, Lou, wo hast du eigentlich das viele Geld her?«
»Ich arbeite schließlich.«
»Ja, aber ich weiß auch, was du dort verdienst. Das ist schon der dritte Zwanziger, den du diese Woche anbrichst.«
»Stehe ich etwa unter Beobachtung?«
»Ich mag dich, natürlich beobachte ich dich da.«
»Was willst du denn herauskriegen?«
»Jedenfalls nicht, daß du ein Gangster oder so was bist«, antwortete Suzi unverblümt.
»Sehe ich etwa so aus?«
»Das ist keine Antwort.«
»Auf manche Fragen gibt es kein klares Ja oder Nein«, entgegnete
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