Die irische Signora
nicht ertragen, daß ich nicht zurückkomme wie all die anderen, sobald du pfeifst.«
»Jetzt gibt es keine anderen mehr.« Schweigen. »Und ich habe noch nie zu einer gesagt, daß ich sie liebe.«
»Zu mir auch nicht. Du hast lediglich gesagt, daß du das
glaubst
. Das ist ein Unterschied.«
»Gib mir die Möglichkeit, es herauszufinden. Ich bin mir beinahe sicher«, lächelte er die junge Frau an.
»Du meinst, ich soll mit dir ins Bett gehen, damit du dir klar darüber wirst.« Sie klang ziemlich verbittert.
»Nein, das meine ich nicht. Laß uns irgendwo zusammen essen gehen und miteinander reden, so wie früher.«
»Bis es Zeit wird, zu Bett zu gehen. Und dann heißt es wieder, laß uns zusammen ins Bett gehen, so wie früher.«
»Wir haben das nur einmal getan, Grania. Und es geht mir nicht nur darum.« Suzi konnte sich nicht losreißen. Und sie fand, Grania sollte dem netten alten Kerl eine Chance geben und wenigstens mit ihm zusammen essen gehen. Beinahe wäre sie rübergegangen und hätte ihr das gesagt, doch sie biß sich auf die Zunge. Schließlich ging sie das nichts an.
»Na gut, aber nur zum Essen«, willigte Grania ein, und dann lächelten sie sich an und hielten Händchen.
Es war nicht immer derselbe Mann, auch der Anorak und der Lieferwagen wechselten. Doch immer blieb der Kontakt auf ein Minimum beschränkt, und alles ging stets in großer Eile vonstatten.
Als es draußen früher dunkel wurde und häufiger regnete, brachte Lou eine Kleiderstange mit, um daran die nassen Jacken und Mäntel aufzuhängen, die sonst vielleicht in den Wandschrank gewandert wären. »Damit die Klamotten nicht die Schachteln von der Signora durchweichen«, erklärte er.
Wochenlang trafen dienstags Schachteln ein, die donnerstags wieder abgeholt wurden. Lou wollte lieber nicht darüber nachdenken, was wohl darin war. Flaschen waren es jedenfalls nicht, das stand fest. Wenn Robin Alkohol geklaut oder geschmuggelt hätte, dann wären es ganze Wagenladungen gewesen wie damals bei dem Bruch im Supermarkt. Und so konnte Lou der unangenehmen Wahrheit nicht länger ausweichen: Es mußten Drogen sein. Warum sonst sollte sich Robin so anstellen? Bei was sonst gab es einen, der das Zeug brachte, und einen anderen, der es kurz darauf wieder abholte? Um Himmels willen, Drogen in einer Schule! Robin mußte komplett verrückt sein.
Und dann auch noch dieser blöde Zufall mit Suzis kleinem Bruder, einem rothaarigen Burschen mit frechem Gesicht. Man hatte ihn zusammen mit einer Clique älterer Jungs im Fahrradschuppen erwischt. Zwar hatte Jerry geschworen, daß er nur der Bote gewesen sei, er habe am Schultor etwas für die Großen abgeholt, weil der Direktor sie nicht aus den Augen gelassen habe. Aber Mr. O’Brien machte Suzis ganze Familie deswegen zur Schnecke.
Nur die Bitten der Signora verhinderten, daß Jerry von der Schule flog. Er war doch noch so jung, und die ganze Familie versprach, daß er nach der Schule nirgends herumhängen, sondern immer gleich nach Hause kommen und seine Schularbeiten erledigen würde. Und weil er sich in der letzten Zeit so gut gemacht hatte und sich die Signora persönlich für ihn verbürgte, hatte man noch einmal ein Auge zugedrückt.
Die älteren Jungen hingegen wurden noch am selben Tag von der Schule verwiesen. Offenbar hatte Tony O’Brien gesagt, daß es ihn nicht die Bohne schere, was aus ihnen wurde. Sie hätten sowieso keine große Zukunft vor sich, und die paar Monate, bis der Ernst des Lebens für sie beginne, würden sie jedenfalls nicht an seiner Schule herumlungern.
Was für ein Unwetter wohl losbrechen würde, dachte Lou, wenn jemals rauskäme, daß das Nebengebäude als Drogenzwischenlager diente, wo jeden Dienstag eine Ladung eintraf, die am Donnerstag wieder auf den Weg gebracht wurde? Vielleicht stammte ja das Zeug, das der kleine Jerry Sullivan – sein zukünftiger Schwager! – in der Hand gehabt hatte, aus ebendiesen Lieferungen?
Denn Suzi und Lou hatten beschlossen, im kommenden Jahr zu heiraten.
»Mir wird nie einer besser gefallen«, hatte Suzi gesagt.
»Das klingt, als hättest du die Nase voll vom Suchen und nimmst deshalb den, an dem es am wenigsten auszusetzen gibt.«
»Nein, das stimmt nicht.« Seit er Italienisch lernte, hatte Suzi ihn noch mehr ins Herz geschlossen. Die Signora lobte ihn so oft wegen seiner Hilfsbereitschaft. »Lou steckt eben voller Überraschungen«, hatte Suzi erwidert. Und das stimmte. Sie hörte ihn seine
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