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Die irische Signora

Die irische Signora

Titel: Die irische Signora Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maeve Binchy
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all der Unbekannten, die ihre Ersparnisse verloren hatten. Ein attraktiver Mann, dem jedes Mittel recht war, um nach oben zu kommen.
    Da bemerkte sie, daß er weinte.
    »Ich brauche dich so sehr, Connie. Während unserer ganzen Ehe hast du eine Rolle gespielt, Connie. Könntest du nicht noch eine kleine Weile lang weitermachen und so tun, als würdest du mir vergeben? Bitte, Connie, ich brauche dich. Du bist die einzige, die mir helfen kann.« Er schmiegte sein Gesicht mit der dunklen Narbe in ihren Schoß und schluchzte wie ein Kind.
     
    Sie konnte sich später an jenen Tag nicht mehr richtig erinnern. Es war, als wollte sie einzelne Szenen eines Horrorfilms, bei denen sie die Augen geschlossen hatte, wieder zusammensetzen, oder Szenen eines immer wiederkehrenden Alptraums. Ein Teil der Handlung spielte in einer Anwaltskanzlei, wo Harry die Bedingungen des Treuhandfonds, den sie für die Ausbildung ihrer Kinder eingerichtet hatte, dargelegt wurden. Das Geld war gut investiert worden. Es war ein großer Betrag. Und auch den Rest hatte man in Connies Namen gut angelegt. Constance Kane war eine sehr vermögende Frau. Es entging ihr nicht, daß der Anwalt für ihren Ehemann nur Verachtung übrig hatte. Er machte sich kaum die Mühe, das zu verbergen. Auch der alte Freund ihres Vaters, T. P. Murphy, war zugegen, schweigsam und distinguierter denn je. Er machte ein grimmiges Gesicht. Außerdem waren ein Wirtschaftsprüfer sowie ein Anlageberater hinzugezogen worden. Sie ließen den großen Harry Kane spüren, daß sie ihn für einen ganz normalen Betrüger hielten. Dabei hätten diese Menschen ihren Mann noch gestern vormittag höchst ehrerbietig behandelt. Wie schnell sich die Dinge im Geschäftsleben ändern, dachte Connie.
    Anschließend gingen sie zur Bank. Das Erstaunen der Bankleute hätte nicht größer sein können, als sie Zeugen wurden, wie gleichsam aus dem Nichts Geldmittel auftauchten. Connie und Harry saßen schweigend dabei, während ihre Berater der Bank erklärten, daß kein einziger Penny von diesem Geld zurückerstattet werden
müßte
und daß es nur zur Verfügung stünde, wenn die Bank ihrerseits zusicherte, daß ein Teil davon den Investoren zugute kommen würde.
    Gegen Mittag hatten sie sich geeinigt. Harrys Partner wurden herbeizitiert und angewiesen, sich während der Pressekonferenz im Hayes-Hotel nicht zu äußern. Man entschied ferner, daß die Ehefrauen nicht daran teilnehmen sollten. Sie verfolgten das Ganze gemeinsam vor einem Fernsehgerät in einem Hotelzimmer. Connies Name wurde nicht erwähnt. Es hieß lediglich, man habe Mittel für einen Notfall wie diesen beiseite gelegt.
    In den Mittagsnachrichten waren die Schlagzeilen der Morgenzeitungen schon überholt. Einer der Journalisten fragte Harry Kane nach der Wunde auf seiner Backe. Stammte sie von einem Gläubiger?
    »Nun, sie stammt von jemandem, der nicht begriffen hat, was passiert ist, der nicht erkannte, daß wir alles Menschenmögliche unternehmen würden, um jene, die uns ihr Vertrauen geschenkt haben, nicht im Stich zu lassen«, erwiderte Harry direkt in die Kamera.
    Da überkam Connie eine leichte Übelkeit. Wenn er so lügen konnte, wozu war er sonst noch fähig?
    Ganz hinten in dem großen Saal des Hotels, in dem die Pressekonferenz abgehalten wurde, entdeckte Connie Siobhan Casey. Sie fragte sich, wieviel Siobhan wohl gewußt hatte und ob ein Teil von Connies Geld auch ihr zugute kommen würde. Doch das würde sie nie erfahren. Denn wie sie heute morgen versichert hatte, erübrige sich jegliche Kontrolle von ihrer Seite, wenn die gesamte Operation in Händen der Bank lag. Sie wußte, daß das Geld gerecht und klug verteilt werden würde. Sie hatte kein Recht anzuordnen, daß Siobhan Caseys Verluste nicht ausgeglichen werden sollten, nur weil sie ein Verhältnis mit dem Firmenchef hatte.
    Sie konnten in ihr Haus zurückkehren. Nach einer Woche begann man aufzuatmen. Und nach drei Monaten hatte sich die Lage weitgehend normalisiert.
    Veronica stellte von Zeit zu Zeit Fragen nach der Narbe in Harrys Gesicht. »Oh, die wird deinen Vater immer daran erinnern, was für ein Dummkopf er gewesen ist«, antwortete er dann, und Connie sah, wie die beiden einen zärtlichen Blick wechselten.
    Auch Richard schien für seinen Vater nichts als Bewunderung zu empfinden. Beide Kinder waren der Ansicht, daß er durch diese Erfahrung gewachsen war.
    »Er ist jetzt viel öfter zu Hause, nicht wahr, Mum?« sagte Veronica.
    »Ja, das stimmt«,

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