Die irische Signora
heißer Suppe standen bereit.
»Bis morgen dann«, sagte Vera und ließ die beiden allein.
Connie schenkte Harry eine kleine Tasse Suppe ein. Er schüttelte den Kopf. »Trink das, Harry. Morgen wirst du es vielleicht brauchen.«
»Hat Kevin all seine Versicherungen bei uns abgeschlossen?«
»Nein, keine einzige«, erwiderte Connie ruhig.
»Wie kommt das?«
»Ich habe es ihm ausgeredet, nur für alle Fälle.«
»Was soll ich nur tun, Connie?«
»Du wirst dich der Sache stellen müssen. Gib zu, daß du gescheitert bist, aber stets nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt hast. Sag, daß du im Land bleiben und dein Möglichstes tun wirst, den Schaden zu begrenzen.«
»Sie werden alle über mich herfallen.«
»Nur eine Weile lang. Dann stürzen sie sich auf den nächsten Skandal.«
»Und du?«
»Ich werde wieder arbeiten.«
»Aber was ist mit dem Geld, das all die Anwälte für dich auf die hohe Kante gelegt haben?«
»Ich behalte, soviel ich brauche, um für die Kinder zu sorgen. Den Rest bekommen die Leute, die ihre Ersparnisse verloren haben.«
»Mein Gott, willst du jetzt zu allem Überfluß auch noch die Märtyrerin spielen?«
»Was sollte ich denn deiner Meinung nach mit meinem Geld machen, Harry?« Ihre Augen waren hart.
»Es behalten. Dem Schicksal dankbar sein, daß es nicht verloren ist, und es nicht wieder in die Firma stecken.«
»Das ist doch nicht dein Ernst. Wir werden morgen darüber sprechen.«
»Doch, es ist mein Ernst. Wir reden hier vom Geschäftsleben und nicht von einem Kricketspiel unter Ehrenmännern. Der Vorteil einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist nun einmal, daß sie nur das bekommen können, was noch da ist. Wozu hast du dir deinen Anteil gesichert, wenn du ihn jetzt wieder zurückgeben willst?«
»Morgen«, entgegnete sie.
»Zieh bloß nicht so ein verkniffenes Gouvernantengesicht, Connie, und benimm dich nur ein einziges Mal in deinem Leben normal. Hör für fünf Minuten auf zu schauspielern und mit diesem scheinheiligen Unsinn, daß du den armen Investoren ihr Geld zurückgeben willst. Die wußten genau, was sie taten. Genauso wie dein Vater, als er das Geld für eure Universitätsgebühren auf ein Pferd setzte, das immer noch nicht im Ziel ist.«
Aus ihrem Gesicht war jegliche Farbe gewichen. Sie stand auf und ging zur Tür. »Spielst du mal wieder die Madame Rührmichnichtan? Lauf nur davon, statt dich mit mir auseinanderzusetzen. Geh hinunter zu deiner Freundin Vera und wein dich bei ihr darüber aus, wie schlecht die Männer sind. Vielleicht hättest du von Anfang an zu Vera ziehen sollen. Könnte es sein, daß dich nur eine Frau so richtig auf Touren bringt?«
Sie hatte es nicht tun wollen, aber sie schlug ihn direkt ins Gesicht. Weil er herumgeschrien und Vera in ihrem eigenen Haus beleidigt hatte, nachdem Vera und Kevin sie aufgenommen hatten, ohne irgendwelche Fragen zu stellen. Harry schien kein Mensch mehr zu sein, er war wie ein wildgewordenes Tier.
Ihre Ringe hinterließen eine Blutspur auf seiner Wange, einen langen roten Streifen. Und zu ihrer eigenen Überraschung war Connie von dem Anblick des Blutes nicht entsetzt. Sie schämte sich nicht einmal für ihre Tat.
Connie schloß die Tür hinter sich und ging nach unten. Am Küchentisch hatte man das Geschrei oben offensichtlich gehört, vielleicht sogar die Worte verstanden. Connie, die in den vergangenen Stunden so ruhig und gefaßt agiert hatte, blickte stumm von einem zum anderen. Da war Deirdre, Veras hübsche, dunkeläugige Tochter, die in einer Modeboutique arbeitete, und Charlie, der als Maler und Tapezierer in den Familienbetrieb eingestiegen war.
Und zwischen Kevin und Vera saß, eine Flasche Whiskey vor sich, Jacko. Jacko, mit weit geöffnetem Hemdkragen und geröteten, wild dreinblickenden Augen. Jacko, der schon seit einer ganzen Weile weinte und trank und mit beidem noch nicht fertig war. In Sekundenschnelle wurde ihr klar, daß er in der Investmentfirma ihres Ehemannes jeden Penny verloren hatte. Ihr erster Freund, der sie bedingungslos und von Herzen geliebt hatte, der an dem Tag ihrer Hochzeit mit Harry vor der Kirche gestanden war, in der Hoffnung, daß sie es sich vielleicht doch noch anders überlegte, saß nun am Küchentisch ihrer Freundin und war völlig ruiniert. Wie war es nur zu all dem gekommen? fragte sich Connie, während sie wie angewurzelt dastand, die Hand an der Kehle.
Sie konnte nicht länger in diesem Raum bleiben. Aber sie konnte auch nicht nach oben zu
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