Die irische Signora
sollte, als hätte sie sich eben erst in ihn verliebt, damit ihr Vater sich langsam an den Gedanken gewöhnen konnte, oder ob sie ihm die Wahrheit sagen sollte. Der alte Mann meinte, man sollte die Wahrheit offen aussprechen, das könnten die Menschen oft besser verkraften, als man glaube.
Allerdings hatten Grania und Brigid ihre Zweifel.
Brigid sowieso – weil der Mann so schrecklich alt war. »Ehe du dich versiehst, stehst du doch als Witwe da«, hatte sie gesagt.
»Aber dann bin ich eine reiche Witwe, deshalb heiraten wir ja. Ich kriege seine Rente«, hatte Grania lachend erwidert.
»Du wirst dich bestimmt irgendwann nach anderen Männern umsehen und fremdgehen. Dann wird er dir nachspionieren, dich im Bett eines anderen erwischen und einen Doppelmord begehen.« Anscheinend konnte Brigid dieser Vorstellung einiges abgewinnen.
»Nein, vor ihm habe ich nie jemanden wirklich geliebt. Wenn es euch selbst einmal passiert, werdet ihr wissen, wie das ist«, verkündete Grania mit einer unerträglich selbstgefälligen Miene.
Fiona und Brigid rollten mit den Augen. Wahre Liebe war ziemlich ermüdend und schwer nachvollziehbar für diejenigen, die von außen zuschauen mußten. Aber Brigid war nicht immer nur Zuschauerin. Sie bekam selbst eine Menge Angebote.
Fiona lag im Dunkeln und dachte an den netten Jungen mit dem struppigen Haar, der sie so freundlich angelächelt hatte. Wie wunderbar wäre es, wenn sie der Typ Mädchen wäre, in den sich ein Junge wie er verlieben konnte!
Es verging mehr als eine Woche, ehe sie ihn wiedersah.
»Wie geht es Ihrer Mutter?« erkundigte sich Fiona.
»Woher wissen Sie von ihr?« Er wirkte verärgert und beunruhigt darüber, daß sie sich in seine Angelegenheiten einmischte. Soviel zu Brigids großartigem Einfall.
»Als Sie letzte Woche hier waren und mir mit dem Müllsack geholfen haben, haben Sie mir erzählt, daß Ihre Mutter in der Notaufnahme ist.«
Da hellte sich seine Miene auf. »Ja, natürlich, entschuldigen Sie. Tja, es geht ihr nicht besonders gut. Es ist noch mal passiert.«
»Wurde sie niedergeschlagen?«
»Nein, sie hat eine Überdosis genommen.«
»Oh, das tut mir wirklich sehr leid.« Fiona klang sehr mitfühlend.
»Ja, das glaube ich Ihnen.«
Einen Augenblick lang schwiegen sie beide. Dann deutete sie auf ihr T-Shirt. »
Venerdi
«, sagte sie stolz. »Spricht man es so aus?«
»Ja.« Er wiederholte es in einem besseren Italienisch, und sie sprach es nach.
»Sie lernen wohl auch Italienisch?« fragte er interessiert.
Fiona redete, ohne nachzudenken. »Nein, ich habe nur die Wochentage gelernt, für den Fall, daß ich Sie wieder treffe«, sagte sie. Im selben Moment errötete sie und wünschte sich, daß sich hier und jetzt, neben der Tee- und Kaffeemaschine, die Erde auftat und sie verschlang.
»Ich heiße Barry«, sagte er. »Hättest du Lust, heute abend mit mir ins Kino zu gehen?«
Barry und Fiona trafen sich in der O’Connell Street und betrachteten die Menschenschlangen vor den Kinos.
»Was würdest du denn gerne sehen?« fragte er sie.
»Nein, such du dir etwas aus.«
»Mir ist es, ehrlich gesagt, egal.«
»Mir eigentlich auch.« Spielte da nicht ein ungeduldiger Zug um seinen Mund, fragte sich Fiona. »Vielleicht sollten wir in den gehen, wo am wenigsten Leute anstehen.«
»Aber das ist doch ein Karatefilm«, wandte er ein.
»Ist mir recht«, erwiderte sie dümmlich.
»Magst du denn Karatefilme?« Ungläubig sah er sie an.
»Und du?« gab sie zurück.
Bislang war es kein sehr erfolgversprechendes Rendezvous gewesen. Sie gingen in einen Film, der keinem von beiden gefiel. Dann stellte sich die Frage, was sie als nächstes unternehmen sollten.
»Möchtest du eine Pizza?« schlug er vor.
Fiona nickte eifrig. »Das wäre toll.«
»Oder sollen wir lieber in einen Pub gehen?«
»Nun, da hätte ich auch nichts dagegen.«
»Dann gehen wir Pizza essen«, sagte er im Tonfall eines Mannes, der wußte, daß nie eine Entscheidung getroffen werden würde, außer wenn er die Sache in die Hand nahm.
Sie saßen da und schauten einander an. Die Auswahl der Pizza hatte sich als Qual der Wahl erwiesen. Da Fiona sowohl mit einer
pizza margherita
als auch mit einer
pizza napoletana
einverstanden gewesen war, hatte Barry am Ende zwei
quattro stagioni
bestellt. Die habe vier verschiedene Beläge, erklärte er, in jeder Ecke einen anderen. Damit schlage man mehrere Fliegen mit einer Klappe und erspare sich weitere Entscheidungen.
Im
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