Die irische Signora
ich dich zum Bus begleiten?«
»Ja, bitte, das wäre nett.«
»Oder soll ich dich lieber mit meinem Motorrad heimbringen?«
»Oh, das wäre toll.« Sie erkannte, daß sie wieder beide Alternativen bejaht hatte. Bestimmt hielt er sie für vollkommen bescheuert. Fiona beschloß, es ihm zu erklären. »Ich meine, als du mir angeboten hast, mich zum Bus zu bringen, wußte ich nicht, daß es auch die Möglichkeit gibt, mit dem Motorrad heimzufahren. Und eine Motorradfahrt wäre mir eigentlich lieber.« Sie erschrak über ihre eigene Courage.
Barry schien erfreut zu sein. »Wunderbar«, sagte er. »Du mußt dich aber gut an mir festhalten, versprichst du mir das?«
»Großes Ehrenwort«, erwiderte Fiona und lächelte ihn hinter ihrer dicken Brille an. Sie bat ihn, sie am Anfang ihrer Straße abzusetzen, weil es eine ruhige Gegend war, wo selten Motorräder durchfuhren. Ob er wohl ein weiteres Rendezvous vorschlagen würde?
»Bis zum nächsten Mal«, meinte Barry.
»Ja, das würde mich freuen.« Im stillen betete sie, daß es nicht allzu hoffnungsvoll oder flehentlich klang.
»Na ja, vielleicht laufen wir uns mal im Supermarkt über den Weg«, sagte er.
»Was? Ach so, ja, das kann gut sein.«
»Oder wir treffen uns im Krankenhaus«, fügte er als weitere Möglichkeit hinzu.
»Hm, ja, natürlich, wenn du gerade mal vorbeikommst«, meinte sie traurig.
»Ich komme jeden Tag vorbei, meine Mutter ist noch drin. Danke, daß du mich nicht nach ihr gefragt hast … ich wollte nicht darüber reden.«
»Nein, das ist klar.« Fiona atmete erleichtert auf. Als sie in der Pizzeria gesessen hatten, war sie drauf und dran gewesen, ihn nach sämtlichen Details auszufragen.
»Gute Nacht, Fiona.«
»Gute Nacht, Barry, und danke«, erwiderte sie.
Im Bett lag sie noch lange wach. Er mochte sie wirklich. Und er schätzte es an ihr, daß sie nicht so neugierig war. Zugegeben, sie hatte ein paar dumme Fehler begangen … aber immerhin hatte er gesagt, daß sie sich wiedersehen würden.
Brigid kam ins Krankenhaus zu Fiona. »Könntest du uns einen Gefallen tun und heute abend bei uns vorbeischauen?«
»Klar, warum?«
»Heute ist der große Tag. Grania will ihnen von ihrem Rentner erzählen. Wahrscheinlich fliegen dann die Fetzen.«
»Und was soll ich dabei?« fragte Fiona ängstlich.
»Vielleicht reißen sie sich ein bißchen zusammen, wenn ein Außenstehender dabei ist.
Vielleicht
.« Brigid wirkte nicht sehr überzeugt.
»Und der alte Mann, kommt der auch?«
»Der wartet draußen im Wagen, falls er gebraucht wird.«
»Gebraucht?« Fiona klang nun noch ängstlicher.
»Na, ich meine, falls sie ihn als künftigen Schwiegersohn in die Arme schließen wollen. Oder falls er Grania zu Hilfe kommen muß, wenn Dad sie grün und blau schlägt.«
»Aber das wird er doch nicht tun!« Jetzt stand Fiona das Entsetzen ins Gesicht geschrieben.
»Nein, Fiona, natürlich nicht. Daß du immer alles so wörtlich nehmen mußt. Hast du denn gar keine Phantasie?«
»Nein, ich glaube nicht«, meinte Fiona bekümmert.
Noch am selben Tag zog Fiona Erkundigungen über Mrs. Healy, Barrys Mutter, ein. Sie kannte Kitty, eine der Stationsschwestern, die ihr von der Frau berichtete. Man habe ihr zum zweitenmal den Magen auspumpen müssen, anscheinend sei es ihr wirklich ernst gewesen. Kitty fand es überflüssig, sich mit solchen Leuten aufzuhalten, sollten sie sich doch umbringen, wenn sie so scharf darauf waren. Warum verschwendete man Zeit und Geld, um ihnen einzureden, sie würden geliebt und gebraucht, was wahrscheinlich nicht mal stimmte? Wenn sie all die Menschen kennen würden, die wirklich krank waren, aber zu anständig, um selbst Herrgott zu spielen, dann würden sie sich das zweimal überlegen.
Kitty hatte nicht viel für verhinderte Selbstmörder übrig. Allerdings bat sie Fiona, das für sich zu behalten. Sie wollte schließlich nicht in den Ruf eines Unmenschen kommen. Und immerhin gab sie dieser blöden Frau ihre Medikamente und behandelte sie genauso freundlich wie die anderen Patienten.
»Wie heißt sie mit Vornamen?«
»Nessa, glaube ich.«
»Was für ein Mensch ist sie?« fragte Fiona.
»Ach, ich weiß nicht. Sie ist vor allem schwach und steht noch ein bißchen unter Schock. Die ganze Zeit starrt sie zur Tür und wartet darauf, daß ihr Ehemann hereinkommt.«
»Und kommt er?«
»Bis jetzt nicht. Ihr Sohn besucht sie, aber das bedeutet ihr nicht viel, sie möchte ihren Mann sehen. Deshalb hat sie es ja
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