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Die irische Signora

Die irische Signora

Titel: Die irische Signora Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maeve Binchy
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verkehren. Was für ein Beispiel geben Sie eigentlich für die Kinder ab?«
    »Wir sind nicht hier, um ein Beispiel abzugeben, sondern um sie zu unterrichten. Um ihnen Wissen einzutrichtern. Nicht mehr und nicht weniger.«
    Aidan warf ihm einen geringschätzigen Blick zu, dann erwiderte er: »Ich wäre Ihnen sehr verbunden, wenn Sie mich mit Ihrer unausgegorenen Katzenjammer-Philosophie um diese Tageszeit und überhaupt zu jeder Zeit verschonen würden. Lassen Sie mich auf der Stelle zu meiner Klasse gehen!«
    »Aidan.« Tony O’Brien schlug jetzt einen anderen Ton an. »Aidan, hören Sie mir zu. Ich werde zum Direktor ernannt werden. Die Entscheidung sollte zwar erst nächste Woche bekanntgegeben werden, aber es ist wohl besser, wenn ich darauf dränge, daß es schon heute geschieht.«
    »Wie, was … warum wollen Sie das denn?« Aidan fühlte sich, als hätte man ihm einen Magenschwinger verpaßt. Es kam zu plötzlich, darauf war er nicht vorbereitet. Dabei stand doch noch gar nichts fest, es war noch nichts spruchreif.
    »Damit Sie sich diesen Unsinn aus dem Kopf schlagen und sich nicht in dem Irrglauben wiegen,
Sie
würden den Posten kriegen, womit Sie sich und anderen nur etwas vormachen … deshalb.«
    Aidan musterte Tony O’Brien. »Warum tun Sie mir das an, Tony, warum nur? Angenommen, Sie bekommen die Stelle wirklich, besteht dann Ihre erste Amtshandlung darin, daß Sie mich hier hereinschleppen und mir genüßlich unter die Nase reiben, daß Sie – ausgerechnet Sie, der Sie sich einen feuchten Kehricht um die Schule scheren – zum Direktor ernannt werden? Haben Sie denn nicht einen Funken Anstand im Leib? Können Sie nicht mal abwarten, bis Ihnen die Stelle offiziell angeboten wird, bevor Sie über andere schadenfroh spotten? Sind Sie so verdammt zuversichtlich, so von sich überzeugt, daß …«
    »Aidan, Sie können doch nicht mehr ernstlich geglaubt haben, daß Sie das Rennen machen. Hat Ihnen dieser alte Schwätzer Walsh nicht Bescheid gesagt? Wir haben alle angenommen, er hätte Sie informiert. Ja, das hat er uns sogar selbst gesagt.«
    »Er hat mir mitgeteilt, wahrscheinlich würden Sie die Stelle bekommen. Was er allerdings sehr bedauerlich fand, wie ich hinzufügen möchte.«
    Ein Kind streckte den Kopf zur Bibliothekstür herein und starrte erschrocken die beiden rotgesichtigen Lehrer an, die sich feindselig gegenüberstanden.
    Tony O’Brien stieß einen Schrei aus, daß der Junge vor Schreck beinahe umfiel. »Mach, daß du verschwindest, du neugieriger Rotzbengel! Marsch ins Klassenzimmer!«
    Der Junge erblaßte und warf Aidan Dunne einen fragenden Blick zu.
    »Schon gut, Declan. Sag deinen Klassenkameraden, sie sollen ihren Vergil aufschlagen, ich komme gleich.« Die Tür wurde geschlossen.
    »Daß Sie sich all ihre Namen merken können«, wunderte sich Tony O’Brien.
    »Sie dagegen kennen kaum einen beim Namen«, erwiderte Aidan mit tonloser Stimme.
    »Wissen Sie, von einem Direktor wird nicht erwartet, daß er ein besonders netter oder großmütiger Mensch ist.«
    »Anscheinend nicht«, räumte Aidan ein. Mittlerweile hatten sich die beiden wieder beruhigt, die Hitzigkeit und Gereiztheit war verflogen.
    »Ich bin auf Sie angewiesen, Aidan, Sie müssen mir helfen, damit es mit der Schule nicht vollends bergab geht.«
    Doch nach dieser Demütigung war Aidan zu enttäuscht, um einzulenken. »Nein, das wäre zuviel verlangt. Ich mag ja gutmütig sein, aber das bringe ich nicht über mich. Ich kann hier nicht bleiben. Jetzt nicht mehr.«
    »Aber was wollen Sie denn tun, in Gottes Namen?«
    »Oh, ich stehe keineswegs vor dem Nichts. Es gibt durchaus Schulen, wo man mich mit Handkuß nimmt, auch wenn diese offensichtlich nicht dazugehört.«
    »Seien Sie doch kein Narr, Sie werden hier gebraucht. Sie sind eine tragende Säule des Mountainview College, und das wissen Sie.«
    »Aber anscheinend nicht tragend genug, um zum Direktor ernannt zu werden.«
    »Muß ich Ihnen das wirklich noch erklären? Ein Direktor steht heute vor ganz anderen Anforderungen. Für dieses Amt will man keinen weisen Prediger … sondern jemanden mit Durchsetzungsvermögen, der sich nicht scheut, sich mit dem Ausschuß für Berufsausbildung oder dem Erziehungsministerium herumzustreiten, der auch mal die Polizei ruft, wenn es um Vandalismus oder Drogen geht, der sich mit unzufriedenen Eltern auseinandersetzt …«
    »Ich könnte nicht als Ihr Untergebener arbeiten, Tony, ich kann Sie als Lehrer nicht

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