Die irische Signora
tragen – obwohl alle wußten, daß das nie der Fall sein würde.
Tony seufzte tief und hoffte, Aidan würde die Angelegenheit zu Hause gut über die Bühne bringen. Sonst sah es für Tonys Zukunft mit Grania Dunne, dem ersten Mädchen, mit dem er sich eine feste Bindung zumindest vorstellen konnte, ziemlich schwarz aus.
»Ich habe eine sehr gute Nachricht«, verkündete Aidan beim Abendessen.
Er erzählte seiner Familie vom Pilotprojekt, von den Abendkursen, die im Nebengebäude der Schule stattfinden würden, von den dafür bereitgestellten Finanzmitteln und von seinen Plänen, Unterricht in italienischer Sprache und Kultur anzubieten.
Die anderen ließen sich schnell von seiner Begeisterung anstecken und stellten Fragen: Würde er Bilder, Plakate und Landkarten an den Wänden aufhängen dürfen? Könnte man diese auch die Woche über hängenlassen? Wen wollte er als Lehrkräfte gewinnen? Würde man auch italienisch kochen lernen? Und Opernarien hören?
»Wird dir das alles nicht zuviel werden, wenn du dann auch noch Direktor bist?« fragte Nell.
»Nein, nein, ich übernehme diese Aufgabe
anstelle
des Direktorpostens«, erklärte er heiter und musterte dabei jedes Gesicht in der Runde. Keine der drei Frauen senkte den Blick, es erschien ihnen als völlig gleichwertige Alternative. Und seltsamerweise kam es ihm allmählich selbst so vor. Vielleicht war dieser verrückte Tony O’Brien doch klüger, als man annahm. Sie unterhielten sich weiter, es war ein richtiges Familiengespräch. Wie hoch mußte die Teilnehmerzahl mindestens sein? Sollte es eher italienische Konversation für den Urlaub sein oder etwas für höhere Ansprüche? Das Geschirr auf dem Tisch wurde beiseite geschoben, damit Aidan sich Notizen machen konnte.
Erst sehr viel später fragte Brigid: »Wer wird denn nun Direktor, wenn du es nicht machst?«
»Ach, ein gewisser Tony O’Brien, der Erdkundelehrer, ein netter Kerl. Mit dem hat das Mountainview College eine gute Wahl getroffen.«
»Ich hab’s doch gleich gewußt, daß es keine Frau wird«, meinte Nell naserümpfend.
»Oh, ich glaube, daß sogar zwei Frauen im Gespräch waren, aber den Posten hat eben die fähigste Lehrkraft bekommen«, erwiderte Aidan und schenkte ihnen von dem Wein nach, den er zur Feier des Tages gekauft hatte. Bald würde er sein neues Zimmer beziehen; er wollte es noch heute abend wegen der Regale ausmessen. Einer der Lehrer aus dem Kollegium war Hobbyschreiner, und er würde Aidan die Bücherregale und kleinen Borde für die italienischen Teller bauen.
Keinem fiel es auf, als Grania leise aufstand und das Zimmer verließ.
Er saß im Wohnzimmer und wartete. Sie kam bestimmt, wenn auch nur, um ihm zu sagen, daß sie ihn haßte. Aber vielleicht nicht nur deswegen. Da klingelte es an der Tür, und mit rotgeweinten Augen stand sie vor ihm.
»Ich habe eine Kaffeemaschine gekauft«, sagte er. »Und eine feingemahlene kolumbianische Mischung. Ist das recht?«
Sie trat ein. Ein junges Mädchen, aber nicht selbstbewußt. Nicht mehr. »Du bist so ein Schwein, so ein mieses und verlogenes Schwein.«
»Nein, das bin ich nicht«, entgegnete er vollkommen ruhig. »Ich bin ein ehrlicher Mensch, das mußt du mir glauben.«
»Warum soll ich dir auch nur ein Wort glauben? Du hast dich die ganze Zeit bloß lustig gemacht über mich und meinen Vater, sogar über meine Bemerkung mit der Kaffeemaschine. Na, meinetwegen lach dich doch tot. Ich bin nur gekommen, um dir zu sagen, daß du das Allerletzte bist und mir hoffentlich nie wieder so ein mieser Kerl über den Weg läuft. Ich hoffe, daß ich sehr alt werde und viele, viele Menschen kennenlerne, aber daß mir nie wieder so etwas Schreckliches passiert, daß ich jemandem vertraue, der auf den Gefühlen anderer Leute herumtrampelt. Wenn es einen Gott gibt, soll er mich bitte, bitte davor bewahren, daß mir noch mal jemand so etwas antut.« Sie war so tief gekränkt, daß er sie nicht einmal zu berühren wagte.
»Bis heute morgen habe ich nicht gewußt, daß du die Tochter von Aidan Dunne bist. Und ebensowenig, daß Aidan geglaubt hat, er würde zum Direktor befördert«, fing er an.
»Du hättest mir doch Bescheid sagen können, oder nicht?« schrie sie ihn an.
Mit einemmal war Tony sehr müde. Er hatte einen schweren Tag hinter sich. Ruhig fuhr er fort: »Nein. Ich hätte dir nicht sagen können: ›Dein Vater täuscht sich, weil nämlich dein Herzallerliebster die Stelle kriegt.‹ Und wenn wir von Loyalität
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