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Die irische Signora

Die irische Signora

Titel: Die irische Signora Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maeve Binchy
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nicht, daß ich Sie geschickt habe.«
    Die Signora musterte sie mit einem langen Blick. »Haben Sie etwas gegen Ihren Freund?«
    »Gegen meine Freunde«, korrigierte Suzi sie. »Mein Vater sagt, ich sei ein Flittchen. Bitte widersprechen Sie ihm nicht, wenn er Ihnen das erzählt, sonst merkt er, daß Sie mich kennen.« Suzis Gesicht verhärtete sich.
    Habe ich auch so verbissen geschaut, überlegte die Signora, als ich damals, vor all den Jahren, nach Sizilien gegangen bin?
     
    Sie stieg in den Bus und wunderte sich, wie die Stadt, in der sie einst gelebt hatte, gewachsen war. Trotz des Verkehrs spielten Kinder in der Abenddämmerung auf der Straße, doch dann fuhr der Bus noch weiter hinaus. Hier gab es kleine Gärten, und die Kinder fuhren auf Fahrrädern ihre Runden, lehnten an Zäunen oder rannten aus einem Garten in den anderen.
    Die Signora fragte in den Häusern, die Suzi ihr genannt hatte. Und Dubliner Männer und Frauen erwiderten ihr, daß sie leider keinen Platz hätten, sie lebten jetzt schon sehr beengt.
    »Wüßten Sie vielleicht bei jemand anderem etwas?«.
    »Versuchen Sie es mal bei den Sullivans«, meinte einer.
    Damit hatte sie ihren Vorwand. Sie klopfte an die Tür. Würde das hier ihr neues Heim werden? War dies das Dach, unter dem sie künftig wohnen würde, in der Hoffnung, daß der Schmerz über den Verlust ihres ruhigen Lebens in Annunziata irgendwann einmal nachließ? Nicht nur der Tod des Mannes, den sie geliebt hatte, quälte sie, sie hatte ja auch ihr ganzes Leben dort, ihre Zukunftsperspektive aufgegeben. Nun würde sie nie mit Glockengeläut dort begraben werden. Sie hatte alles verloren. Doch sie riß sich zusammen und ermahnte sich auch, sich nicht zu früh zu freuen. Vielleicht sagten sie ja nein.
    Jerry öffnete ihr. Er hatte rote Haare, Sommersprossen und ein belegtes Brot in der Hand.
    »Mmmh?« brummelte er mit vollem Mund.
    »Kann ich bitte deinen Vater oder deine Mutter sprechen?«
    »Wegen was?« fragte er schroff.
    Offensichtlich hatte er in der Vergangenheit Leute eingelassen, die nicht immer willkommen gewesen waren.
    »Ich wollte mich erkundigen, ob ich hier vielleicht ein Zimmer mieten könnte?« begann die Signora. Dabei fiel ihr auf, daß drinnen der Fernseher leiser gestellt worden war, damit man mitbekam, wer draußen stand und was man von ihnen wollte.
    »Ein Zimmer?
Hier
?« fragte Jerry so ungläubig, daß die Signora selbst unsicher wurde. Vielleicht war es doch eine idiotische Idee. Andererseits war ihr ganzes bisheriges Leben von idiotischen Ideen bestimmt worden. Warum also jetzt damit aufhören?
    »Vielleicht könnte ich mit deinen Eltern darüber sprechen?«
    Der Vater des Jungen kam an die Tür. Ein großer, schwerer Mann mit über den Ohren abstehenden Haarbüscheln, die wie Henkel aussahen. Er war etwa in ihrem Alter, schätzte die Signora. Aber sein rotes Gesicht verriet, daß die Jahre nicht spurlos an ihm vorbeigegangen waren. Er wischte sich beide Hände an der Hose ab, als ob er ihr die Hand schütteln wollte.
    »Womit kann ich Ihnen dienen?« fragte er mißtrauisch.
    Die Signora erklärte, daß sie in der Gegend ein Zimmer suche. Die Quinns von Nummer 22 hätten sie hierher geschickt, weil bei ihnen vielleicht ein Zimmer leerstehe. Damit erweckte sie den Eindruck, als ob die Quinns Bekannte von ihr wären, das konnte nicht schaden.
    »Peggy, kommst du mal?« rief er. Und eine Frau mit dunklen Ringen unter den Augen, das glatte Haar nach hinten gekämmt, erschien rauchend und hustend an der Tür.
    »Was ist?« meinte sie unwirsch.
    Es klang nicht gerade vielversprechend, aber die Signora sagte ihr Sprüchlein noch einmal auf.
    »Und warum suchen Sie ausgerechnet in dieser Gegend ein Zimmer?«
    »Ich war lange Zeit nicht in Irland. Deshalb kenne ich mich nicht mehr sehr gut aus, aber ich muß schließlich irgendwo wohnen. Ich hatte ja keine Ahnung, daß alles so teuer geworden ist … und … na ja, hierher bin ich gekommen, weil man von hier aus die Berge sehen kann.«
    Das schien ihnen aus irgendeinem Grund zu gefallen. Vielleicht, weil es so treuherzig klang.
    »Wir hatten noch nie Untermieter«, meinte die Frau.
    »Ich mache bestimmt keine Umstände, ich halte mich nur in meinem Zimmer auf.«
    »Sie wollen nicht mit uns essen?« Der Mann deutete zu einem Tisch, auf dem ein Teller mit nicht gerade appetitlichen, dick geschnittenen Broten stand. Die Butter war noch im Papier, die Milch in der Flasche.
    »Nein, vielen herzlichen Dank, aber das ist

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