Die irische Signora
würde?
Die Sullivans traten aus der Tür. Offenbar war die Entscheidung gefallen.
»Nachdem Sie ein bißchen knapp bei Kasse sind, möchten Sie bestimmt gleich hier einziehen, oder?« meinte Jimmy Sullivan.
»Oh, wenn es schon ab heute ginge, wäre das großartig«, nickte die Signora.
»Gut. Sie können eine Woche hier wohnen, und wenn es Ihnen dann noch bei uns gefällt und wir mit Ihnen auskommen, können wir uns über eine Verlängerung unterhalten«, schlug Peggy vor.
Die Augen der Signora leuchteten auf. »
Grazie, grazie
«, rutschte es ihr heraus. »Entschuldigung, aber ich habe so lange dort gelebt«, fügte sie hastig hinzu.
Doch keinen schien es zu stören. Man hielt sie offensichtlich für eine harmlose Spinnerin.
»Kommen Sie mit hoch und helfen Sie mir, das Bett zu beziehen«, schlug Peggy vor.
Der stumme Blick des jungen Jerry folgte ihnen.
»Ihr werdet mit mir keinen Ärger haben, Jerry«, versprach die Signora ihm.
»Woher wissen Sie, daß man mich Jerry nennt?« gab er zurück.
Das war ein Patzer. Doch seine Eltern hatten vorher bestimmt einmal seinen Namen erwähnt. Und die Signora war es gewohnt, Spuren zu verwischen. »Weil es dein Vorname ist«, erwiderte sie schlicht.
Das schien ihm als Antwort zu genügen.
Peggy zog Laken und Decken heraus. »Suzi hatte eine dieser Chenille-Tagesdecken«, meinte sie, »aber sie hat sie mitgenommen.«
»Fehlt Ihnen Ihre Tochter?«
»Oh, sie kommt etwa einmal die Woche vorbei, aber meist nur, wenn ihr Vater nicht zu Hause ist. Die beiden hatten ständig Meinungsverschiedenheiten, schon seit Suzi zehn war. Schade, aber nicht zu ändern. Es ist besser für sie, allein zu leben, als hier dauernd Krach zu haben.«
Die Signora packte die mit den italienischen Städtenamen bestickte Decke aus, die sie in Seidenpapier eingeschlagen hatte. Dazwischen hatte sie ihren Becher gesteckt, damit er nicht zerbrach. Es war ihr nicht unangenehm, ihre wenigen Besitztümer im Beisein von Peggy Sullivan aus der Tasche zu räumen; so konnte diese sich gleich von ihrem untadeligen Lebenswandel überzeugen.
Peggys Augen weiteten sich vor Staunen.
»Woher um alles in der Welt haben Sie denn das? Die ist ja einfach wundervoll«, hauchte sie.
»Ich habe die Decke im Lauf der Jahre selbst angefertigt und immer mal wieder einen Namen dazugefügt. Sehen Sie, hier ist Rom, und hier ist Annunziata, wo ich gelebt habe.«
»Und Sie haben mit ihm unter dieser Decke gelegen … wie traurig, daß er sterben mußte.« Jetzt standen Tränen in Peggys Augen.
»Ja. Ja, es ist traurig.«
»War er lange krank?«
»Nein, er kam bei einem Unfall ums Leben.«
»Haben Sie ein Bild von ihm, das sie vielleicht hier aufstellen wollen?« Peggy klopfte auf die Kommode.
»Nein, die einzigen Bilder von Mario sind in meinem Herzen.«
Ihre Worte schienen noch lange nachzuklingen. Dann entschloß sich Peggy, das Thema zu wechseln. »Ich verspreche Ihnen eins, wenn Sie so nähen können, werden Sie bald Arbeit finden. Jeder wird Sie mit Freuden nehmen.«
»Ich hatte nie daran gedacht, mit Nähen meinen Lebensunterhalt zu verdienen.« Der Blick der Signora war in weite Ferne gerichtet.
»Was wollten Sie denn sonst tun?«
»Unterrichten oder vielleicht als Fremdenführerin arbeiten. In Sizilien habe ich auch kleine filigrane Stickereien an Souvenirläden verkauft, aber ich glaube nicht, daß sich hier jemand dafür interessiert.«
»Wenn Sie Kleeblätter und Harfen sticken, vielleicht schon«, meinte Peggy. Doch dieser Vorstellung konnten sie beide nicht viel abgewinnen. Sie machten das Zimmer fertig, die Signora hängte ihre wenigen Kleider auf und schien rundum zufrieden.
»Danke, daß ich so schnell hier einziehen durfte. Ich habe gerade eben schon Ihrem Sohn versprochen, daß ich keinen Ärger machen werde.«
»Ach, kümmern Sie sich nicht um den. Der macht schon Ärger genug für zwei, der stinkfaule Kerl. Man könnte verzweifeln. Wenigstens ist Suzi nicht auf den Kopf gefallen, aber der Bengel landet mal in der Gosse.«
»Das ist bestimmt nur so eine Phase.« Mit diesen Worten hatte die Signora auch Mario wegen seiner scheinbar mißratenen Sprößlinge getröstet und optimistisch gestimmt. Eltern wollten so etwas hören.
»Dann dauert sie aber schon ziemlich lange. Hören Sie, möchten Sie nicht noch nach unten kommen und vor dem Schlafengehen ein Gläschen mit uns trinken?«
»Danke, nein. Ich möchte Ihnen möglichst wenig Umstände machen. Und so müde, wie ich bin,
Weitere Kostenlose Bücher