Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die irische Signora

Die irische Signora

Titel: Die irische Signora Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maeve Binchy
Vom Netzwerk:
bleibt man wohl immer jung und redet und denkt wie ein Kind.«
    »Ich wünschte, es wäre so«, meinte Aidan.
    »Als ich in Annunziata Englisch unterrichtete, habe ich immer in ihre kleinen Gesichter geblickt und gedacht: ›Jetzt wissen sie noch nichts, doch nachher, wenn die Stunde vorbei ist, dann wissen sie etwas.‹ Es war ein schönes Gefühl.«
    Nun sah er ihr mit unverhohlener Bewunderung ins Gesicht, während er sich in sein Jackett zwängte, um zurück ins Klassenzimmer zu gehen. Sie konnte sich kaum entsinnen, wann jemand sie zuletzt bewundert hatte. In Annunziata hatte man sie auf eine merkwürdige Weise geachtet. Und natürlich hatte Mario sie geliebt, von ganzem Herzen, das war nicht die Frage. Doch er hatte sie nie bewundert. Er war im Dunkeln zu ihr geschlichen, er hatte sich an sie geschmiegt und ihr von seinen Sorgen erzählt, doch nie hatte er sie bewundernd angesehen.
    Und es gefiel der Signora, bewundert zu werden, ebenso wie ihr dieser Mann gefiel, der so viele Mühen auf sich nahm, um seine Liebe zu einem anderen Land mit den Menschen hier zu teilen. Seine Hauptsorge war wohl, daß nicht genügend Geld vorhanden war, um einen solchen Luxus wie einen Abendkurs zu finanzieren.
    »Soll ich vor dem Tor auf Sie warten?« fragte die Signora. »Wir könnten dann nach vier Uhr weiter darüber reden.«
    »Ich möchte Ihnen nicht Ihre Zeit stehlen«, begann er.
    »Oh, ich habe nichts anderes zu tun.« Warum ihm etwas vormachen?
    »Vielleicht möchten Sie sich in der Zwischenzeit in der Bibliothek umsehen?« schlug er vor.
    »Ja, gern.«
    Aidan Dunne führte sie zwischen schubsenden Kindern, die sie jedoch nicht weiter beachteten, den Gang entlang. In einer großen Schule wie dieser tauchten immer mal wieder Fremde auf, kein Grund, ihnen hinterherzustarren. Nur Jerry Sullivan war verständlicherweise verblüfft.
    »Himmel, Mrs. Signora …«, stammelte er.
    »Hallo, Jerry«, begrüßte sie ihn freundlich im Vorübergehen, als wäre sie tagtäglich in seiner Schule.
    In der Bibliothek erkundete sie dann, was zu italienischer Sprache und Kultur vorhanden war; es handelte sich vornehmlich um antiquarische Bücher, die Aidan Dunne vermutlich auf eigene Kosten angeschafft hatte. Dieser nette Mann war voller Enthusiasmus, vielleicht konnte er ihr ja tatsächlich helfen. Und sie ihm. Zum ersten Mal, seit sie nach Irland zurückgekehrt war, fühlte sich die Signora wohl und richtig entspannt. Sie räkelte sich und gähnte hinaus in den Sommersonnenschein.
    Obwohl sie bald Italienisch unterrichten würde, wovon sie jetzt überzeugt war, dachte sie nicht an Italien. Sondern an Dublin. Und sie fragte sich, woher sie die Schüler für diesen Kurs bekommen würden. Sie und Mr. Dunne. Sie und Aidan. Reiß dich zusammen, ermahnte sie sich. Sie durfte sich nicht irgendwelchen Träumereien hingeben. Denn schließlich war das ihr Verderben gewesen, behaupteten die Leute. Daß sie Hirngespinsten nachhing und die Realität nicht sah.
    Nach zwei Stunden stand Aidan Dunne in der Tür der Bibliothek und strahlte übers ganze Gesicht. »Ich habe kein Auto«, meinte er. »Sie wohl auch nicht?«
    »Ich kann mir kaum den Bus leisten«, erwiderte die Signora.

[home]
    Bill
    D as Leben wäre viel einfacher, dachte Bill Burke, wenn er sich nur in Grania Dunne verlieben könnte.
    Sie war in seinem Alter, um die dreiundzwanzig. Sie kam aus einer ganz normalen Familie, ihr Vater arbeitete als Lehrer am Mountainview College und ihre Mutter im Quentin’s an der Kasse. Sie war hübsch und eine angenehme Gesprächspartnerin.
    Gemeinsam schimpften sie zuweilen über die Bank und fragten sich, warum immer nur die raffgierigen und rücksichtslosen Leute Erfolg hatten. Grania erkundigte sich regelmäßig nach seiner Schwester und gab ihm Bücher für sie mit. Und vielleicht hätte sich Grania auch in ihn verliebt, wenn die Dinge nur anders gelegen hätten.
    Sich mit einem guten, verständnisvollen Freund über die Liebe zu unterhalten war nicht schwer. Und Bill verstand Grania gut, wenn sie ihm von diesem schon ziemlich alten Mann erzählte, der ihr trotz aller Bemühungen einfach nicht aus dem Sinn ging. Der Mann hätte ihr Vater sein können, sein Atem ging pfeifend vom vielen Rauchen, und wenn er so weitermachte, würde er wahrscheinlich in ein paar Jahren unter der Erde liegen. Trotzdem, sie hatte noch nie jemanden kennengelernt, für den sie so viel empfunden hatte.
    Allerdings würde aus den beiden nie ein Paar werden, denn er hatte

Weitere Kostenlose Bücher