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Die irische Signora

Die irische Signora

Titel: Die irische Signora Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maeve Binchy
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begannen: »Falls bis morgen, siebzehn Uhr, keine Zahlung eingeht, sehen wir uns gezwungen, …« Aber irgendwie gab es doch jedesmal noch einen Ausweg. Manchmal erschien Lizzie in Tränen aufgelöst in der Bank, manchmal strotzend vor Selbstvertrauen, weil sie eine neue Stelle bekommen hatte. Sie ging niemals unter. Und war nie zerknirscht.
    »Meine Güte, Bill, eine Bank hat doch keine Gefühle. Der Bank geht es einzig und allein darum, Geld zu verdienen und möglichst keine Verluste zu machen. Sie ist der Feind.«
    »Aber nicht meiner«, wandte Bill ein. »Sondern mein Arbeitgeber.«
    »Lizzie, nicht«, bat er verzweifelt, wenn sie noch eine Flasche Wein bestellte. Denn er wußte, daß sie sie nicht bezahlen konnte, und dann würde er einspringen müssen, was ihm zusehends schwerer fiel. Schließlich wollte er zu Hause auch noch etwas beisteuern, da er doch soviel besser verdiente als sein Vater und seine Eltern große Opfer für seine berufliche Zukunft gebracht hatten. Nur konnte man mit Lizzie unmöglich sparen. Bill hatte sich eigentlich ein neues Jackett kaufen wollen, doch das mußte er sich aus dem Kopf schlagen. Warum mußte Lizzie ständig von einer Urlaubsreise reden, die sie sich schlichtweg nicht leisten konnten? Und wie sollte er es eigentlich schaffen, auch noch etwas beiseite zu legen, damit er mit fünfundzwanzig wohlhabend genug wäre, um Lizzie zu heiraten?
    Bill hoffte, es würde ein schöner Sommer werden. Wenn hier die Sonne schien, würde sich Lizzie vielleicht mit einem Urlaub in heimischen Gefilden zufriedengeben. Aber wenn es ständig bedeckt war und all ihre Freunde von dieser oder jener griechischen Insel schwärmten oder davon, wie wenig man für einen gan- zen Monat in der Türkei brauchte, würde sie das Reisefieber pak- ken. Bill konnte von der Bank, bei der er arbeitete, keinen Kredit bekommen. Das war ein ehernes Gesetz. Aber natürlich war es woanders jederzeit möglich. Möglich, wenn auch ganz und gar nicht erstrebenswert. Er fragte sich, ob er ein Geizhals war. Eigentlich nicht, fand er, doch wer schätzte sich selbst schon richtig ein?
    »Ich glaube, wir sind nur das, was die anderen in uns sehen«, meinte er während der Kaffeepause zu Grania.
    »Da bin ich anderer Meinung, denn das könnte ja heißen, daß wir ihnen immerzu etwas vorspielen«, entgegnete sie.
    »Sehe ich wie eine Eule aus?« wollte er wissen.
    »Natürlich nicht«, seufzte Grania. Er fragte sie das nicht zum erstenmal.
    »Dabei trage ich nicht einmal eine Brille«, klagte Bill. »Vielleicht, weil ich so ein rundes Gesicht habe und ziemlich glattes Haar …«
    »Eulen haben überhaupt kein Haar, sie haben Federn«, wandte Grania ein.
    Das verwirrte Bill nur noch mehr. »Wie kommen sie dann darauf, daß ich eulenhaft wirke?« fragte er.
    An jenem Abend gab es in der Bank einen Vortrag über Aufstiegsmöglichkeiten. Grania und Bill saßen nebeneinander. Sie erfuhren von Lehrgängen und Programmen und daß die Bank es begrüße, wenn sich die Mitarbeiter spezialisierten. Intelligenten jungen Männern und Frauen mit Sprach- und Spezialkenntnissen und Erfahrung stehe die ganze Welt offen. Im Ausland beschäftigte Mitarbeiter erhielten selbstverständlich ein höheres Gehalt, da es dafür Zuschläge gebe. Die Programme würden erst in einem Jahr anlaufen, interessierte Mitarbeiter sollten sich jedoch schon frühzeitig darauf vorbereiten, da die Konkurrenz sehr groß sein werde.
    »Bewirbst du dich für einen der Lehrgänge?« erkundigte sich Bill.
    Grania wirkte bekümmert. »Ich würde schon gerne, weil ich dann von hier wegkäme und nicht befürchten müßte, daß mir Tony O’Brien über den Weg läuft. Aber andererseits möchte ich auch nicht in einem anderen Teil der Welt sein und dort ständig an ihn denken müssen. Welchen Sinn hätte das? Wenn ich schon unglücklich bin, dann besser hier, wo ich in seiner Nähe bin, als irgendwo in der Ferne, wo ich nichts höre und sehe von ihm.«
    »Will er dich denn immer noch haben?« Bill hatte die Geschichte schon oft gehört.
    »Ja, er schickt mir jede Woche eine Postkarte hierher in die Bank. Sieh mal, da habe ich die von dieser Woche.« Grania zeigte ihm ein Bild von einer Kaffeeplantage. Auf der Rückseite standen vier Worte: »Warte noch immer, Tony.«
    »Viel schreibt er ja nicht gerade«, bemängelte Bill.
    »Nein, aber das ist so eine Art Fortsetzungsgeschichte«, erklärte Grania. »Auf einer hat er geschrieben: ›Kaffee ist fertig‹, und auf einer

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