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Die irische Signora

Die irische Signora

Titel: Die irische Signora Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maeve Binchy
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sie belogen und ihr verschwiegen, daß er Schuldirektor werden würde, als er schon längst davon wußte. Und Granias Vater hätte der Schlag getroffen, er wäre tot umgefallen, hätte er erfahren, daß sie sich mit diesem Tony O’Brien getroffen und sogar schon mit ihm geschlafen hatte. Einmal.
    Sie hatte ja versucht, mit anderen auszugehen, aber es hatte einfach nicht funktioniert. Immerzu mußte sie an ihn denken, an die Fältchen um seine Augen, wenn er lächelte. Es war so ungerecht. Welche Fehlfunktionen des menschlichen Körpers oder Geistes waren daran schuld, daß man sich in jemanden verliebte, der so gar nicht zu einem paßte?
    Bill konnte ihr nur von ganzem Herzen beipflichten. Auch ihn hatte das Schicksal mit dieser bedauerlichen Schwäche geschlagen. Er liebte Lizzie Duffy, und das war die unwahrscheinlichste Verbindung, die man sich vorstellen konnte. Lizzie war eine zwar hübsche, aber lästige, weil hoffnungslos verschuldete Kundin bei seiner Bank. Und obwohl sie sich an keine Vorschriften hielt, bekam sie einen höheren Kredit als jede andere Kundin bei dieser und auch den anderen Filialen.
    Lizzie liebte Bill auch. Zumindest
behauptete
sie es oder
glaubte
, ihn zu lieben. Wie sie sagte, habe sie in ihrem ganzen Leben noch nie einen so ernsten, eulenhaften, ehrenwerten und dusseligen Menschen kennengelernt. Verglichen mit Lizzies sonstigem Umgang, trafen all diese Eigenschaften tatsächlich auf ihn zu. Die meisten ihrer Freunde lachten ständig und ohne Grund und hatten nur mäßiges Interesse daran, einen Arbeitsplatz zu finden oder zu behalten, aber enormes Interesse an Reisen und Vergnügungen. Es war einfach idiotisch, Lizzie zu lieben.
    Doch bei einer Tasse Kaffee versicherten Bill und Grania einander mit ernster Miene, daß das Leben sehr einfach und sehr langweilig wäre, wenn jeder nur Menschen lieben würde, die zu ihm paßten.
    Lizzie erkundigte sich nie nach Bills großer Schwester Olive. Obwohl sie sie natürlich schon kennengelernt hatte, als sie einmal zu Besuch gekommen war. Olive war ein bißchen zurückgeblieben, das war alles, einfach nur zurückgeblieben. Sie hatte keine bestimmte Krankheit. Sie war fünfundzwanzig und benahm sich wie eine Achtjährige. Eine sehr nette, aufgeweckte Achtjährige.
    Wenn man das wußte, gab es mit Olive keine Probleme. Sie erzählte einem Geschichten aus Büchern wie alle Achtjährigen und berichtete begeistert von Dingen, die sie im Fernsehen gesehen hatte. Manchmal wurde sie auch laut und schwierig, und weil Olive groß und kräftig war, stieß sie oft etwas um. Aber nie war sie wütend oder schlecht gelaunt, sie interessierte sich stets für alles und jeden und war der festen Meinung, daß an ihre Familie so leicht niemand herankam. »Meine Mutter backt die besten Kuchen der Welt«, erzählte sie allen Leuten, und Bills Mutter, deren Backkünste sich darauf beschränkten, einen gekauften Biskuitkuchen zu verzieren, strahlte voller Stolz. »Mein Vater leitet den großen Supermarkt«, verkündete Olive, und ihr Vater, der dort an der Fleisch- und Wursttheke arbeitete, lächelte nachsichtig.
    Olives Behauptung: »Mein Bruder Bill ist Bankdirektor« kommentierte Bill mit einer Grimasse, ebenso wie Grania, als sie davon erfuhr. »Das würde ich zu gerne einmal erleben«, fügte er hinzu.
    »Willst du doch gar nicht. Das würde nur heißen, daß du kapituliert hast, Kompromisse gemacht hast«, entgegnete Grania aufmunternd.
    Aber Lizzie war der gleichen Ansicht wie Olive. »Du mußt es in der Bank zu etwas bringen«, pflegte sie zu Bill zu sagen. »Ich brauche nämlich einen erfolgreichen Mann, und wenn wir beide mit fünfundzwanzig heiraten, solltest du die ersten Stufen der Karriereleiter schon hinter dir haben.«
    Obwohl Lizzie dabei ihr bezauberndes, strahlendes Lächeln aufgesetzt, ihre kleinen, weißen Zähne entblößt und ihre sagenhafte goldene Lockenpracht geschüttelt hatte, wußte Bill, daß es ihr ernst war. Sie könne niemals einen Versager heiraten, meinte sie; das wäre einfach schrecklich, denn es würde sie beide zermürben. Trotzdem erwäge sie ernsthaft, in zwei Jahren, wenn sie beide ein Vierteljahrhundert alt seien, Bill zu heiraten, denn dann sei ihr Verfallsdatum überschritten und es sei Zeit für ein gesetzteres Leben.
    Lizzie hatte keinen weiteren Kredit bekommen, weil sie ihren ersten noch nicht zurückbezahlt hatte. Ihre Kreditkarte war eingezogen worden, und Bill hatte an sie adressierte Briefe gesehen, die folgendermaßen

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