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Die irische Signora

Die irische Signora

Titel: Die irische Signora Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maeve Binchy
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sich aus dieser Situation herauswinden konnte. Grania und er nannten sie die Haie.
    Als er an Grania dachte, fiel ihm ihr Vater wieder ein. »Haben Sie genügend Anmeldungen, damit der Kurs zustande kommt?« erkundigte er sich. Vielleicht war das seine Chance. Vielleicht fand der Kurs gar nicht statt.
    Doch die Signora strahlte ihn begeistert an. »
Si, si
, wir haben großes Glück. Leute von nah und fern haben davon gehört. Wie haben Sie davon erfahren, Signor Burke?«
    »In der Bank«, erwiderte er.
    »In der Bank.« Die Freude der Signora war so groß, daß er sie ihr nicht verderben wollte. »Welch eine Vorstellung, daß man sogar in der Bank von uns gehört hat.«
    »Glauben Sie, daß ich in dem Kurs auch Fachterminologie lernen kann?« fragte Bill.
    »Welcher Art genau?«
    »Sie wissen schon, die Fachausdrücke, die wir in der Bank verwenden …« Doch Bill blieb vage. Er wußte nicht, welche Fachausdrük- ke er eines Tages in einer italienischen Bank brauchen würde.
    »Sie können sie mir aufschreiben, und ich schlage sie dann nach«, versprach die Signora. »Aber, um ganz offen zu sein, im Kurs wird es nur am Rande um solche Dinge gehen. In erster Linie werden Sprach- und Landeskenntnisse vermittelt. Ich möchte, daß Sie Italien liebgewinnen und ein wenig davon kennenlernen. Und wenn Sie einmal dorthin fahren, sollen Sie das Gefühl haben, Sie würden einen Freund besuchen.«
    »Das hört sich toll an«, meinte Bill und überreichte ihr das Geld für Lizzie und ihn.
    »
Martedi
«, sagte die Signora.
    »Wie bitte?«
    »
Martedi
, Dienstag. Jetzt kennen Sie schon ein Wort.«
    »
Martedi
«, wiederholte Bill und ging hinaus zur Bushaltestelle. Mehr noch als bei seinem feinen Wolljackett mit dem eleganten Schnitt hatte er nun das Gefühl, gutes Geld sinnlos vergeudet zu haben.
     
    »Was soll ich zum Italienischkurs bloß anziehen?« fragte Lizzie ihn am Montag abend. So etwas konnte nur Lizzie fragen. Andere hätten vielleicht eher wissen wollen, ob sie Schreibhefte oder Lexika oder Namensschilder mitbringen sollten.
    »Etwas, das die anderen nicht vom Lernen ablenkt«, schlug Bill vor.
    Das war allerdings eine vergebliche Hoffnung und außerdem ein törichter Vorschlag. Lizzies Garderobe enthielt schlicht keine Kleidungsstücke, die nicht ablenkten. Sogar jetzt, obwohl es nicht mehr Sommer war, trug sie einen Minirock, so daß man ihre langen, braunen Beine bewundern konnte, dazu ein eng anliegendes Oberteil und eine locker um die Schultern geschlungene Jacke.
    »Aber was genau?«
    Er wußte, daß sie nicht den Stil meinte, sondern daß es ihr um die Farbe ging. »Mir gefällt das Rote ganz gut«, meinte er.
    Ihre Augen leuchteten. Es war nicht schwer, Lizzie zufriedenzustellen. »Ich probier es gleich an«, sagte sie und holte ihren roten Rock und ihre rot-weiß gemusterte Hemdbluse. Sie sah hinreißend aus, frisch und jugendlich und wie aus einer Shampooreklame mit ihrem goldblonden Haar.
    »Soll ich noch ein rotes Haarband dazu tragen?« Sie schien unentschlossen.
    Auf einmal hatte Bill das Gefühl, sie beschützen zu müssen. Lizzie brauchte ihn wirklich. Mochte er auch wie eine Eule aussehen und von der Idee besessen sein, daß man Schulden zurückzahlen mußte – ohne ihn wäre sie verloren.
    »Heute abend geht’s los«, erzählte er Grania am nächsten Tag in der Bank.
    »Du wirst doch ehrlich zu mir sein, oder? Du sagst mir ganz offen, wie es war.« Grania schien dieser Kurs sehr wichtig zu sein. Sie machte sich Gedanken darüber, wie ihr Vater dabei wegkam, ob er eine gute oder eine schlechte Figur machte.
    Bill versprach ihr, ganz aufrichtig zu sein. Doch er wußte, daß das ziemlich unwahrscheinlich war. Selbst wenn es ein Fiasko werden würde, würde er es nicht fertigbringen, ihr das ins Gesicht zu sagen. Wahrscheinlich würde er ihr erzählen, es sei ganz in Ordnung gewesen.
     
    Bill erkannte das trostlose Nebengebäude kaum wieder, es sah wie verwandelt aus. Großformatige Poster prangten an den Wänden: Bilder von dem Trevi-Brunnen und dem Kolosseum, die Mona Lisa und der David von Michelangelo, Fotos von riesigen Weinbergen und italienischen Speisen. Auf einem Tisch, der mit rotem, weißem und grünem Kreppapier überzogen war, standen mit Frischhaltefolie abgedeckte Pappteller.
    Anscheinend war darauf richtiges Essen serviert, kleine Salamihäppchen und Käsewürfel. Überall lagen Papierblumen, und an jeder steckte ein großes Schild mit ihrem Namen. Nelken hießen
garofani
 …

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