Die irische Signora
Tanzen verabreden, er kenne eine gute Discothek.
Als sie Harriet davon berichtete, sagte diese: »Ich hab’s doch gleich gewußt, daß du nur wegen dem Sex in den Kurs gehst.« Und darüber lachten sie länger, als es irgend jemand anderer lustig gefunden hätte.
Im Oktober gab es ein heftiges Unwetter, und das Dach des Nebengebäudes, in dem der Abendkurs stattfand, wurde undicht. Alle packten mit an, um die Lage unter Kontrolle zu bringen, sie besorgten Zeitungen, rückten Tische beiseite und stellten einen Eimer unter, den sie in einem Toilettenraum gefunden hatten. Dabei riefen sie einander immer
Che tempaccio
und
Che brutto tempo
zu. Barry erklärte, er würde in seiner Regenkluft draußen an der Bushaltestelle warten und ihnen Lichtzeichen geben, wenn der Bus kam, damit sie nicht alle bis auf die Haut durchnäßt wurden.
Connie, die Frau mit dem Schmuck, für den man sich nach Luigis Worten ein ganzes Mietshaus kaufen könnte, sagte, sie könne gut noch vier Personen mitnehmen. Und so quetschten sie sich in den prächtigen BMW – Guglielmo, der gutaussehende junge Bankangestellte, seine etwas konfuse Freundin Elisabetta, Francesca und die junge Caterina. Zuerst fuhren sie zu Elisabettas Wohnung, und von
ciao
- und
arrivederci
-Rufen begleitet, hastete das junge Paar durch den strömenden Regen zur Haustür hinauf.
Dann ging es weiter zu den Clarkes. Fran saß vorne und wies Connie den Weg, denn in dieser Gegend kannte sie sich bestimmt nicht aus. Als sie das Haus erreichten, sah Fran, wie ihre Mutter gerade die Mülltonnen hinausstellte, eine Zigarette im Mundwinkel trotz des Regens, wie eh und je in ihren ausgelatschten Pantoffeln und ihrem schäbigen Morgenrock. Und Fran schämte sich dafür, daß sie sich wegen ihrer Mutter genierte. Nur weil sie gerade in einem schicken Wagen mitgenommen wurde, bedeutete das nicht, daß für sie plötzlich andere Wertmaßstäbe gelten sollten. Ihre Mutter hatte ein schweres Leben gehabt und sich als großmütig und verständnisvoll erwiesen, als es darauf angekommen war.
»Da steht Mam und wird klatschnaß. Die Mülltonnen hätten doch wirklich Zeit bis morgen gehabt«, meinte Fran.
»
Che tempaccio, che tempaccio
«, entgegnete Kathy theatralisch.
»Mach schon, Caterina. Deine Oma hält euch die Tür auf«, sagte Connie.
»Das ist meine Mutter«, erwiderte Kathy.
Doch im Prasseln des Regens, im Durcheinander von schlagenden Türen und klappernden Mülltonnen schien niemand auf ihre Worte zu achten.
Als sie im Haus waren, betrachtete Mrs. Clarke erstaunt und verärgert ihre durchnäßte Zigarette. »Ihr hättet mich ja fast ertrinken lassen, bis ihr euch aus dieser Luxuskarosse herausbequemt habt.«
»Puh«, stöhnte Fran und ging zum Herd. »Jetzt machen wir uns erst mal Tee.«
Kathy marschierte schnurstracks zum Küchentisch und setzte sich.
»
Due tazze di te
«, sagte Fran in ihrem besten Italienisch. »Mach schon, Kathy.
Con latte
?
Con zucchero
?«
»Du weißt doch, daß ich nie Milch und Zucker nehme.« Es klang, als wäre Kathy mit ihren Gedanken ganz woanders, und sie sah ziemlich blaß aus. Mrs. Clarke meinte, wozu solle sie noch aufbleiben, wenn hier bloß so komisches Zeug geredet werde, sie gehe zu Bett; wenn ihr sauberer Ehemann vom Pub nach Hause käme und sich noch etwas braten wolle, solle er die benutzten Pfannen gefälligst selber abspülen, sie habe keine Lust, ihm morgen früh hinterherzuräumen.
Nörgelnd und hustend stapfte sie die knarrende Treppe hinauf.
»Was ist los, Kathy?«
Kathy sah sie nachdenklich an. »Bist du meine Mutter, Fran?« fragte sie.
In der Küche herrschte Stille. Sie hörten die Toilettenspülung im oberen Stockwerk und das Prasseln des Regens draußen auf dem Beton.
»Warum fragst du das jetzt?«
»Weil ich Klarheit haben will. Bist du’s oder bist du’s nicht?«
»Du weißt, daß ich es bin, Kathy.« Langes Schweigen.
»Nein, das habe ich nicht gewußt. Bis gerade eben nicht.« Fran kam auf sie zu und wollte sie in die Arme nehmen. »Nein, geh weg. Ich will nicht, daß du mich anfaßt.«
»Kathy, du hast es doch gewußt, du hast es gespürt, es mußte nicht ausgesprochen werden. Ich habe gedacht, du wüßtest es.«
»Wissen es die anderen?«
»Wen meinst du damit? Diejenigen, bei denen es unumgänglich ist, wissen es. Aber
du
weißt, daß ich dich sehr liebhabe, daß ich alles für dich tun würde und nur das Beste für dich will.«
»Nur keinen Vater, kein Zuhause, keinen Namen.«
»Du
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