Die irische Signora
hast sehr wohl einen Namen, du hast ein Zuhause, und du hast Mam und Dad, die dir Mutter und Vater sind.«
»Nein, ich bin ein uneheliches Kind, das du zur Welt gebracht hast, und das hast du mir immer verschwiegen.«
»Du weißt genau, daß heute niemand mehr von unehelichen Kindern redet. Und seit dem Tag deiner Geburt gehörst du auch vor dem Gesetz zu dieser Familie, das ist dein Zuhause.«
»Aber warum hast du nicht …«, fing Kathy an.
»Kathy, was sagst du da – hätte ich dich zur Adoption freigeben und wildfremden Leuten überlassen sollen? Und hätte ich abwarten sollen, bis du achtzehn bist, ehe ich dich kennenlerne, und auch dann nur, falls du es gewünscht hättest?«
»All die Jahre hast du mich in dem Glauben gelassen, daß Mam meine Mutter sei. Ich kann es nicht fassen.« Kathy schüttelte den Kopf, als wollte sie diesen neuen und erschreckenden Gedanken verscheuchen.
»Mam war dir und mir eine Mutter. Vom ersten Augenblick an, als sie von deiner Existenz erfuhr, hat sie dich angenommen. Sie hat gesagt, wie schön, wieder ein Baby im Haus zu haben. Das waren ihre Worte, und sie hatte recht. Und, Kathy, ich dachte wirklich, du wüßtest es.«
»Aber woher denn? Wir haben doch beide zu Mam ›Mam‹ und zu Dad ›Dad‹ gesagt. Von allen Leuten habe ich immer nur gehört, du seist meine Schwester, wie Matt und Joe und Sean meine Brüder sind. Woher hätte ich es denn wissen sollen?«
»Nun, es wurde keine große Affäre daraus gemacht. Wir lebten alle zusammen unter einem Dach, du warst nur sieben Jahre jünger als Joe, und da hat sich das einfach angeboten.«
»Wissen es all die Nachbarn?«
»Der eine oder andere vielleicht, aber wahrscheinlich haben sie es längst vergessen.«
»Und wer ist mein Vater? Mein richtiger Vater?«
»Dad ist dein richtiger Vater, denn er hat dich aufgezogen und sich um uns beide gekümmert.«
»Du weißt schon, was ich meine.«
»Er war ein Junge, der auf eine piekfeine Schule gegangen ist und dessen Eltern nicht wollten, daß er mich heiratet.«
»Warum sagst du ›er war‹? Ist er tot?«
»Nein, das nicht, aber wir haben nichts mehr mit ihm zu tun.«
»Du nicht, aber vielleicht möchte
ich
etwas mit ihm zu tun haben.«
»Das halte ich für keine gute Idee.«
»Was du denkst, ist mir egal. Wer oder wo er auch sein mag, er ist mein Vater. Ich habe das Recht, etwas über ihn zu erfahren, ihn kennenzulernen, ihm zu sagen: ›Ich bin Kathy, und du hast mich in die Welt gesetzt.‹«
»Trink doch einen Tee, bitte. Oder laß wenigstens mich einen trinken.«
»Ich halte dich nicht davon ab.« Kathys Blick war kalt.
Fran wußte, daß sie jetzt mehr Takt und Einfühlungsvermögen brauchte, als es je in ihrer Arbeit erforderlich gewesen war. Sogar mehr als damals, als ein Kind des Direktors in den Ferien bei ihnen gejobbt hatte und beim Klauen erwischt worden war. Denn jetzt ging es um etwas sehr viel Wichtigeres.
»Ich erzähle dir alles, was du wissen willst. Alles«, sagte sie in einem möglichst ruhigen Ton. »Und damit Dad nicht mittendrin reinplatzt, schlage ich vor, daß wir auf dein Zimmer gehen.«
Kathys Zimmer war viel größer als das von Fran; hier befanden sich der Schreibtisch, das Bücherregal und ein Handwaschbecken, das der Klempner in der Familie vor Jahren liebevoll eingebaut hatte.
»Das hast du alles gemacht, weil du ein schlechtes Gewissen hattest, stimmt’s? Das hübsche Zimmer, die Schuluniform, das zusätzliche Taschengeld, sogar den Italienischkurs – das hast du alles bezahlt, weil du mir gegenüber Schuldgefühle hattest.«
»Ich hatte deinetwegen nie auch nur eine Sekunde lang Schuldgefühle«, erwiderte Fran gleichmütig. Es hörte sich so überzeugend an, daß Kathy, die leicht hysterisch klang, sich wieder beruhigte. »Nein, ich war deinetwegen manchmal bekümmert, weil du dich in der Schule so sehr anstrengst und weil ich gehofft hatte, ich könnte dir alles geben, dir einen guten Start ins Leben verschaffen. Ich habe hart gearbeitet, denn du solltest es immer gut haben. Jede Woche habe ich ein bißchen Geld in die Bausparkasse eingezahlt, nicht viel, aber genug, um dir ein selbständiges Leben zu ermöglichen. Ich habe dich immer geliebt, und ehrlich gesagt, manchmal war mir selbst nicht mehr ganz klar, ob du meine Schwester oder meine Tochter bist. Für mich bist du einfach Kathy, und ich möchte das Aller-, Allerbeste für dich. Um dir das geben zu können, arbeite ich hart, und das ist mir das Wichtigste. Was
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