Die irische Signora
immer ich also für dich empfinde, es sind mit Sicherheit keine Schuldgefühle.«
Tränen traten Kathy in die Augen. Zögernd faßte Fran nach Kathys Hand, mit der sie die Teetasse umklammert hielt.
»Ich weiß, ich hätte das nicht sagen sollen«, meinte Kathy. »Es war einfach der Schock, verstehst du?«
»Ist schon gut. Frag mich alles, was du wissen willst.«
»Wie heißt er?«
»Paul. Paul Malone.«
»Kathy Malone?« überlegte sie.
»Nein, Kathy Clarke.«
»Wie alt war er damals?«
»Sechzehn. Ich war fünfzehneinhalb.«
»Wenn ich daran denke, was für kluge Ratschläge über Sex du mir gegeben hast und wie ernst ich sie genommen habe …«
»Wenn du dir in Erinnerung rufst, was ich gesagt habe, wirst du feststellen, daß ich nichts gepredigt habe, woran ich mich nicht selbst gehalten habe.«
»Du hast ihn also geliebt, diesen Paul Malone?« Aus Kathys Ton sprach kalte Verachtung.
»Ja, sehr sogar. Ich war jung, aber ich dachte, ich wüßte, was Liebe ist, und er auch. Und deshalb werde ich es nicht als kindische Schwärmerei abtun. Denn das war es nicht.«
»Und wo hast du ihn kennengelernt?«
»Auf einem Popkonzert. Wir waren so unzertrennlich, daß ich manchmal geschwänzt und ihn von der Schule abgeholt habe, und dann sind wir ins Kino gegangen. Eigentlich hätte er Nachhilfestunden gehabt, aber die hat er ausfallen lassen. Es war eine wunderbare und glückliche Zeit.«
»Und dann?«
»Dann stellte ich fest, daß ich schwanger war. Als Paul seinen Eltern und ich Mam und Dad davon erzählte, gab es überall ein Mordstheater.«
»War jemals vom Heiraten die Rede?«
»Nein, das war für niemanden ein Thema. Aber wenn ich allein oben in dem Zimmer saß, das jetzt deines ist, habe ich oft daran gedacht. Ich stellte mir immer vor, Paul würde eines Tages mit einem Blumenstrauß vor der Tür stehen und sagen, daß er mich heiraten würde, sobald ich sechzehn wäre.«
»Aber daraus wurde offenbar nichts, oder?«
»Nein.«
»Und warum wollte er nicht mit dir zusammenziehen und dich wenigstens unterstützen, wenn er dich schon nicht heiratete?«
»Das war Teil der Abmachung.«
»Welcher Abmachung?«
»Seine Eltern meinten, da eine solche Partnerschaft nicht gutgehen könne und keine Zukunft habe, wäre allen am meisten gedient, wenn sämtliche Beziehungen abgebrochen würden. So haben sie es ausgedrückt.«
»Waren es üble Leute?«
»Ich weiß nicht. Bis dahin hatte ich sie ja nicht gekannt, ebensowenig wie Paul Mam und Dad kennengelernt hatte.«
»Also bestand die Abmachung darin, daß er ungeschoren davonkommt. Daß er ein Kind zeugt und auf Nimmerwiedersehen verschwindet.«
»Sie haben uns viertausend Pfund gegeben, Kathy, das war damals eine Menge Geld.«
»Ihr habt euch kaufen lassen!«
»Nein, so haben wir es nicht gesehen. Ich habe zweitausend Pfund für dich auf der Bausparkasse angelegt. Zusammen mit dem, was ich selbst regelmäßig eingezahlt habe, ist inzwischen ein recht ansehnliches Sümmchen daraus geworden. Und die anderen zweitausend Pfund bekamen Mam und Dad dafür, daß sie dich aufziehen.«
»Fand Paul Malone das fair? Daß er viertausend Pfund zahlt, um mich für immer los zu sein?«
»Er kannte dich ja nicht. Er hörte auf seine Eltern, die ihm sagten, mit sechzehn sei er zu jung für eine Vaterschaft, er müsse an seine künftige Karriere denken, das sei ein Fehler gewesen, und er müsse seine Schuld mir gegenüber begleichen. Das war ihre Sicht der Dinge.«
»Und hat es dann mit seiner Karriere geklappt?«
»Ja, er ist Steuerberater.«
»Mein Vater, der Steuerberater«, sagte Kathy.
»Er ist mittlerweile verheiratet und hat Kinder, eine eigene Familie.«
»Du meinst, er hat noch andere Kinder?« Kathy reckte das Kinn in die Höhe.
»Ja, genau. Zwei, glaube ich.«
»Woher weißt du das?«
»Neulich habe ich einen Artikel über ihn in einer Zeitschrift gelesen, du weißt schon, in so einer Illustrierten, wo es um Stars und Prominente und so geht.«
»Aber er ist doch gar kein Prominenter.«
»Seine Frau schon. Er ist mit Marianne Hayes verheiratet.«
»Mein Vater ist mit einer der reichsten Frauen Irlands verheiratet?«
»Ja.«
»Und da habt ihr euch mit mickrigen viertausend Pfund abspeisen lassen?«
»Das ist nicht der Punkt. Damals war er ja noch nicht mit ihr verheiratet.«
»Das ist sehr wohl der Punkt. Jetzt ist er reich und sollte etwas für mich springen lassen.«
»Du hast doch genug, Kathy. Wir haben alles, was wir wollen.«
»Nein,
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