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Die irre Heldentour des Billy Lynn

Die irre Heldentour des Billy Lynn

Titel: Die irre Heldentour des Billy Lynn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ben Fountain
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Vorspielaerobic, Kampframmeln, Schattenbumsen, Dauerkreiseln von Hüften und Hintern, und hier auf der zweiten Ebene schubbern die Tänzer sogar an den Bravos herum, aber man darf verdammt noch mal nichts machen, man muss strammstehen und sich vor vierzig Millionen Zuschauern als Tanzstange benutzen lassen. Das geht doch nicht. Davon hat kein Mensch was gesagt. Im wirklichen Leben ist so was vielleicht bloß peinlich, aber im Fernsehen wird es obszön und feindselig. Billy mag sich gar nicht vorstellen, dass seine Mutter und seine Schwester gerade zugucken, und jetzt macht sich auch noch einer der Tänzer etwas zu dicht heran, wichst ihn an, gleitet immer wieder kreiselnd und buffend vorbei. Komm, zeig mir dein Gemächt, du Depp! Billy guckt ihn warnend an, und der Typ feixt und tänzelt davon. Dann kommt er zurück, und Billy sagt mit allem Nachdruck, der sich durch die Zähne quetschen lässt:
    Verpiss dich .
    Der Typ lacht, und weg ist er wieder. Der Takt wird schneller,als eine Reihe Prairie-View-Trommler die Treppe heruntermarschiert, boom-Lacka-Lacka-Lacka boom-Lacka-Lacka-Lacka . Die Drillspieße stehen stramm zum Queen-Anne-Salut, die Tänzer dekorieren derweil lächelnd und mit jazzigen Kung-Fu-Bewegungen truppweise die Bühnenseiten. Auf der unteren Ebene schluchzt Sykes vor sich hin. Kein Wunder, findet Billy, er hofft nur, dass das hier vorbei ist, bevor alle Bravos den Verstand verloren haben. Destiny’s Child kommen in der Bühnenmitte wieder zusammen, und dann zieht ein Orkan aus Lichtern und Feuerwerk auf und kündigt ein Crescendo an. Sykes’ Rücken wogt inzwischen wie eine Schluchzpantomime, trotzdem steht er kerzengerade stramm, Kinn hoch, Brust raus, und Billy hat ihn noch nie so tapfer und liebenswert gefunden wie in diesem Moment.
    I ain’t scared, I’m comin’ through,
    I ain’t scared, I ain’t scared,
    Big man can’t you handle this good love I’m offerin’ you?
    Weit weg auf der anderen Seite des Spielfelds stehen die Cheerleaderinnen in Schulssformation, und selbst über die lange Distanz und durch den Dunstschleier aus Eisregen und Feuerwerksrauch geht Billys Blick direkt zu Faison, sein Seufzer verschwindet wie ein kleiner Tropfen in einem Ozean aus Klängen. Destiny’s Child steigen die Treppe hinauf, halten alle paar Stufen inne, werfen kesse Blicke über die Schultern, werfen den Fernsehkameras titten-und-arsch-wackelnde Köder hin. Billy gibt keinen Mucks von sich, als sie auf seiner Höhe kurz stehen bleiben und dicht neben ihm ein tierisches Hitzegewitter lostobt. Solange sie ihre Pose durchziehen, rührt er sich nicht, aber kaum sind sie weg, rollt er die Augen gen Himmel und legt den Kopf ein paar Grad nach hinten, um sich die volle Dosis Wetter zu holen.
    Der Eisregen sticht, aber Billy zwinkert nicht mal mit den Augen.Er lässt ihn auf sein Gesicht niederprasseln wie eine Dusche aus Millionen Nadeln, und plötzlich ist es, als ob die Sprühwolke in der Luft hängen bliebe und er durch sie hindurch auf einen namenlosen, aber verheißungsvollen Ort zuflöge. Alles um ihn herum versinkt, er ist glücklich und frei und das Sticheln in den Augen die schiere rasante Aufwärtsbewegung. Es fühlt sich an wie die kosmische Fluchtgeschwindigkeit. Es fühlt sich an wie die Zukunft. Er steht da wie eine Rakete auf dem Weg in eine kommende Welt, auch noch, als ihm Day auf die Schulter tippt und sagt, die Halbzeit ist vorbei.

Es ist Liebe, sagst du?
Dann trag ich dich auf Händen
    NIEMAND HOLT SIE AB. Sie stehen um Sykes herum und warten wie befohlen auf die Frau mit der russischen Offiziersmütze, aber anscheinend ist Team Bravo durch die Maschen des kollektiven Bewusstseins gerutscht, sie stehen da wie Pik Sieben, während auf der Bühne die Roadie-Crew herumschwärmt, und lassen sich Feuerwerksasche auf den Kopf rieseln. Sie sind durch die Mangel eines Weltklassespektakels gedreht worden, ihre Nerven brauchen ein bisschen Zeit, um sich zu erholen. So sechs Jahre, vielleicht? Das ganze Team ist durch die Hitze gegangen wie Puffmais und kurz vorm Aufplatzen beziehungsweise schon geplatzt wie Sykes, der sich jetzt einfach auf die unterste Stufe setzt und kleine hoffnungslose Tränen versprüht wie eine Wunderkerze. »Ich weiß ja auch nicht, was die Scheißheulerei soll!«, krächzt er, als Lodis ihn fragt. »Ich heul eben, verdammt noch mal! Ich heul einfach!«
    »Ihr müsst hier weg«, bellt der Oberroadie die Bravos an.
    »Du fick dich selbst«, grummelt Mango, als die Roadies

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