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Die irre Heldentour des Billy Lynn

Die irre Heldentour des Billy Lynn

Titel: Die irre Heldentour des Billy Lynn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ben Fountain
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tiefer als der Laufsteg, als ein umwerfendes weibliches Wesen aus der Lamellenwand hinten platzt, und kaum tritt sie durch den Spalt, schwärmen etliche Betreuer herbei. Einer nimmt ihr das Mikrofon ab, einer reicht ihr Evian, ein dritter hält ein kleines pelziges Kleidungsstück hoch, das sie sich über den Kopf zieht. Beyoncé. Wenn er wollte, könnte Billy einfach den Arm ausstrecken und ihren Oberschenkel berühren. Ihre Haare schießen wie eine Sonneneruption aus dem Pullover, aus Billys Perspektive dreißig Zentimeter tiefer ist die ganze Frau majestätisch überragend wie die Rocky Mountains. Aus der Nähe ist ihre Haut braun wie Apfelgelee mit Honig und mit einem Schweißfilm überzogen, in dem sich das Licht fängt. Michelle und Kelly sind weiter hinten auf dem Laufsteg mit eigenen Betreuern. Niemand redet. Diese Showleute agieren total geschäftsmäßig, stumm und tödlich wie Scharfschützen. Beyoncé fährt rasant mit den Armen in die Jacke, ein bauch- und schulterfreies Satin-Etwas mit Pelzkragen, und als sie sich das Kostüm zurechtrückt, kreuzen sich ihre Blicke. Billy will sofort Entschuldigung, mach einfach weiter sagen, sie ist so konzentriert und grimmig bei der Sache, dass ihm sogar eine derart winzige Störung leid tut. Wer so eine Show vor vierzig Millionen Leuten durchzieht, gehört zu den Spitzenmenschen auf dem Planeten, das kostet doch bestimmt viel Nervenkraft und Soul und Energie in Wahnsinnskonzentration. Aber sie ist nicht mal außer Atem! Eine yogische Meisterin der Körper-Seele-Balance. Sie lebt auf irgendeiner fernen Astralwolke, aber als ihr Blick sich mit seinem trifft, gibt es eine Reaktion, anscheinend ist er ganz kurz zu ihr durchgekommen. Den Bruchteil einer Sekunde lang versucht er, in ihrem Blick etwas zu finden – nicht Gnade, eigentlich, auch nichts so Großes wie Mitgefühl, nur eine kurze Bestätigung vielleicht, dass sie beide Menschen sind, aber sie hat sich schon weggedreht, sie nimmt das Mikro entgegen, einer derBetreuer sagt kick butt , und sie schreitet durch den Lamellenspalt zurück und ist entschwunden.
    Jemand schubst Billy auf den Laufsteg und bugsiert ihn dicht an den Spalt. Der Krach draußen ist der helle Wahn. Er guckt nach rechts und sieht andere Bravos, ähnlich postiert, und in diesem Augenblick wäre er am liebsten wieder im Krieg. Zumindest wusste er da im Prinzip immer, was er tat, er hatte sein Training zur Orientierung, und vor allem guckte nicht das ganze Land zu, ob er womöglich Scheiß baut, das hier dagegen, das ist Stochern im Nebel auf gut Glück. Mittlere Ebene , gellt ihm eine Stimme ins Ohr, links halten und rotes X suchen . Abrupt geht die Musik runter in einen fleischwolfartigen Kriechgang, kah-thanka, kah-thanka , es klingt wie eine Müllpresse, die mehr geschluckt hat, als sie zermalmen kann. Auf der untersten Ebene stehen jetzt Destiny’s Child vor drei Prairie-View-Trommlern und schlagen den Takt mit deren Stöcken, ellbogenschlenkernd und demonstrativ energisch wie Modepuppen, die ein Auto aufbocken wollen. Als Billy endlich mit angelegten Armen auf der Bühne ankommt, kriegt er kaum noch Luft. Es fühlt sich an, wie wenn man in eine sonnendurchflutete Kumuluswolke tritt, in ein grelles, wattiges Licht mit nichts als Luft unter den Füßen. Er geht schräg nach rechts zur Mitteltreppe und kommt, oh Wunder, auch an, hinter den anderen drei Bravos und mehr oder weniger im Gleichschritt. Er hört ein Rauschen in seinem Kopf und sonst fast nichts. Direkt vor der Bühne sind die Drillspieße beim Überkopfschwung mit aufgepflanztem Bajonett , reiner Wahnsinn, so was kann leicht tödlich enden, und das wär richtig scheiße, live im Fernsehen mit dem eigenen Bajonett erstochen, mitten durchs Auge!
    Need me a soldjah, soldjah boy
    Where dey at, where dey at
    Billy muss als Schlussmann auf das rote X, das am dichtesten an der Bühne ist. Die Augen rechts, halt. Irgendwie ist auch die zweite Bravo-Hälfte auf der unteren Ebene aufgetaucht, Dime-Sykes-Mango-A-bort in Reih und Glied. Soldjah gonna be real fah me , singt Beyoncé gegen Michelles und Kelly Bassline,
    Soldjah gonna be real fah me
    Yeah dey will, yeah dey will
    Soldjah gonna get chill fah me
    Yeah dey will, yeah dey will
    Sie bringen den unteren Bravos ein Ständchen, schleichen schäkernd auf allerliebsten Katzenpfötchen herum, gurren und maunzen wie beim ersten Mal Sex, in Huh-ich-hab-so-Angst-Moll. Die ganze Bühne ist jetzt ein überdimensionales Studio für

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