Die irre Heldentour des Billy Lynn
zur Ranch. Du verschwindest einfach ein paar Wochen, bis die Anwälte alles geregelt haben.«
»Das ist unerlaubte Entfernung von der Truppe, Kathryn. Für so was sind Leute schon erschossen worden.«
»Aber nicht du, nicht nach allem, was du durchgemacht hast. Die Anwälte wissen, was sie tun, Billy, die haben alle möglichen Strategien für solche Fälle. Die setzen auch’ne PR-Firma da dran, und das sind Profis. Kannst du dir vorstellen, wie beschissen die die Regierung dastehen lassen können, falls die dich verfolgt? Nachdem die ganze bekloppte Nation im Fernsehen gesehen hat, was du geleistet hast?«
»Ich habe keine Macke, falls die Anwälte an so was denken. Die können das also einfach vergessen.«
» Natürlich hast du keine Macke, nur Bekloppte würden freiwillig wieder in den Krieg gehen. Die Anwälte könnten das umdrehen,du bist nicht vorübergehend unzurechnungsfähig, du bist vorübergehend zurechnungsfähig, was hältst du davon? Du bist zu gesund , um zurück an die Front zu gehen, Billy Lynn ist wieder bei Sinnen. Bekloppt sind alle anderen in diesem Land, die ihn zurückschicken wollen.«
»Aber, Kathryn.«
»Aber, Billy.«
»Ich will irgendwie zurück.«
Sie stößt einen Schrei aus. Billy hat das Gefühl, das Echo in den Gartenbäumen zu hören.
»Nein, das gibt’s nicht, das nehm ich dir nicht ab. Du kannst da nicht wieder hinwollen.«
»Doch, will ich. Ich kann nicht hierbleiben, wenn der Rest des Teams zurückgeht. Wenn die da drüben beschossen werden, will ich auch dabei sein.«
»Dann sollten vielleicht alle Bravos hierbleiben, wie wär’s damit. Bush hat euch allen Orden angepappt, kein Mensch hält euch für Feiglinge, wenn ihr nicht zurückgeht.«
»Darum geht es nicht.«
»Gut, dann klär mich auf. Worum geht es?«
»Na ja, ich hab mich verpflichtet.«
»Unter Zwang! Meinet wegen! Wegen mir und meinem Mist!«
»Nein, es war meine Entscheidung. Ich wollte das selbst. Und ich wusste, dass die mich wahrscheinlich in den Irak schicken. Es ist nicht so, dass mir irgendwer Märchen erzählt hätte.«
Sie stöhnt auf. »Billy, diese Drecksäcke erzählen doch nichts anderes als Märchen. Glaubst du, wenn die nur halbwegs die Wahrheit sagen würden, wir wären überhaupt in diesem Scheißkrieg? Weißt du, was ich glaube, ich glaube, wir haben es überhaupt nicht verdient , dass ihr unseretwegen sterbt. Kein Land, das seiner Regierung so viele Lügen durchgehen lässt, hat verdient, dass auch nur ein Soldat in seinem Namen stirbt.«
Sie fängt hemmungslos an zu weinen, es klingt furchtbar, wie wenn eine Schaufel auf Felsgestein trifft. »Kathryn«, sagt Billy und wartet. »Kathryn«, probiert er noch einmal. »Kat. Lass gut sein. Mir wird schon nichts passieren.«
»Entschuldige«, sagt sie, ihre Stimme ist jetzt ein trüber Sumpf. »Scheiße. Ich hatte mir fest vorgenommen, dir nichts vorzuheulen. Es ist bloß alles so, ach egal. Es macht einen einfach alles fertig.«
»Ja, ziemlich.«
»Du, sei nicht sauer auf mich. Aber ich hab den Leuten deine Nummer gegeben.«
Billy knirscht mit den Zähnen und schweigt. Hauptsache, sie fängt nicht wieder an zu weinen.
»Red einfach mal mit denen, Billy, bitte. Hör dir einfach an, was sie sagen. Das sind gute Leute, die können das für dich hinbiegen.«
Er sagt nicht Ja, er sagt auch nicht Nein.
Sie geht wieder ins Haus, um Denise das Telefon zu bringen, und er versucht derweil, sich auszumalen, wie sie damit klarkommen würden, wenn er nicht zurückkäme. Kathryn würde es überleben, das weiß er, bei ihr wäre die Wut stärker als die Schuldgefühle. Patty auch, sie hat Brian. Aber seine Mutter? Mal ganz ohne Einbildung, für sie wäre es furchtbar, vielleicht sogar fatal, wenn auch nicht sofort. Er sieht einen langen langsamen Prozess des innerlichen Taubwerdens vor sich, und in seinem Kopf werden daraus Wetterbilder, eine Plage bitterkalter Tage mit Wind und Eisregen, eine tagelange, ganz allmählich ins Schwarze verschwimmende Dunstglocke. Genau solche Tage wie heute.
Aber im Moment geht es Denise gut, sie ist noch völlig aufgekratzt von der Halbzeit. »Das war doch eine Schande«, erklärt sie Billy, »dieses ganze anzügliche Gedrehe, das war ja wie aufdem Jahrmarkt, bei diesen Hoochie-Coochie-Shows. Wieso so ein Mist überhaupt ins Fernsehen darf, ich versteh’s nicht.«
»Seh ich auch so, Mom. Meine Idee war’s nicht.«
»Genau wie die eine Frau, die sich da beim Super Bowl entblößt hat, weißt du noch? Wenn
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