Die irre Heldentour des Billy Lynn
noch immer seinen Arm. »Du weißt nicht mal, wie toll du bist, oder? Das macht’s ja noch besser!«, verkündet sie und schnalzt begeistert mit der Zunge, dann umarmt sie ihn hastig und stürmisch, als ob sie nach einer Boje schnappt, bevor derSturm sie wegreißt. Billy geht im glückseligen Delirium buchstäblich Kiel über. Wie wunderschön, wie absolut heilig, seiner selbst wegen geschätzt zu werden, angefasst, liebkost, betatscht, begrapscht und einfach überhaupt angeschmachtet zu werden. »Okay, ich muss flitzen«, sie lässt ihn los, »komm mich wieder besuchen bei der Zwanzig, selbe Stelle.«
Billy verspricht es, und sie läuft die Seitenlinie hoch hinter den anderen Cheerleaderinnen her. Alle Blicke gehen zu ihr, als sie vorbeihoppelt, alle Bravos sind rettungslos gebannt von ihren hüpfenden Pobacken in dem, was Shorts heißt, aber eher wie klitzekleine Becherhalter aussieht. Billy haut ihre Nummer in die Tasten, lässt es sechsmal klingeln und beobachtet sie beim Formieren am Tunnelausgang. Die ersten Spieler kommen plump wie Nashörner aufs Feld getrampelt. Von der Riesenleinwand dröhnt ein Guns-N’-Roses-Riff, die Cheerleaderinnen stellen sich auf die Zehenspitzen und schwenken die Pompoms, eine Beifallswoge rollt die Tribüne hinunter wie Donnergrollen an einem Gebirgshang.
»Hallo, hier ist Faison! Ich kann den Anruf gerade nicht ...«
Fühlt sich irgendwie schräg an, sie selbst genau jetzt nur halbweit entfernt zu sehen und gleichzeitig ihre körperlose Stimme am Ohr zu haben. Es ist wie ein Rahmen um die ganze Situation, gibt ihr einen Brennpunkt, eine Perspektive. Es macht ihm bewusst, dass er sich selbst gerade bewusst wahrnimmt, und darin liegt ein vielleicht nachdenkenswertes Geheimnis, nämlich, wozu diese Überlagerung von Bewusstsein gut sein könnte. Im Moment weiß er nur, dass sie eine Struktur bietet, ein wohliges Gefühl von Ausgeglichenheit, von geistiger Aufgeräumtheit. Eine Art von Wissen oder vielleicht eine Brücke dahin – ist das Dasein etwa gar nicht notwendig bloß ein idiotisches Schlurfen von einem verdammten Ding zum nächsten? Darf man etwa doch darauf hoffen, dass das eigene Leben einen zusammenhängendenSinn ergibt, etwas, das Billy mit Erwachsensein assoziiert. Dann kommt das piep , und er muss etwas sagen. Komisch, die kleine Nachricht, die er ihr hinterlässt – er weiß schon zwei Sekunden hinterher nicht mehr, was er gesagt hat.
Vorübergehend zurechnungsfähig
DIE LETZTEN SPIELER trödeln aus dem Tunnel, und da ist auch Josh, er trottet hinterher und sieht aus wie frisch aus einer Polo-Reklame getreten. Wie macht der das? Jedes Haar, jeder Faden, jede Falte und jeder Kniff, wo sie hingehören, Mamas Liebling in Vollendung, wie in Kunstharz gegossen. »Mein Patzer, mein Patzer, mein Patzer« , tönt er mit monotonem Furor, »tut mir so leid, Jungs, wir haben’s vergeigt, vergeigt , ihr hättet auf gar keinen Fall so vom Schirm verschwinden dürfen.« Dann lässt er eine detaillierte Erläuterung der post-halbzeitlichen Logistik vom Stapel, die im Kern besagt, dass er selbst die letzten zwanzig Minuten am abgemachten Punkt X gewartet hat.
»Soll heißen, eine von den Klemmbrettschnecken hätte uns hochbringen sollen«, stellt Dime klar.
»Im Kern ja.«
»Und wieso ist das dann dein Fehler?«
Josh klappt den Mund auf, er will unbedingt einen Antwortversuch versuchen, aber Team Bravo enthebt ihn mit einem Spottchor der Mühe. Jaaaaaassssshhhhhh! Dah Joshster. Jash . Erist einfach zu nett, und genau dafür liebt Team Bravo den Lulatsch.
»Heh, Josh, von unserm Kampf gehört?«
»Halt, was. Welcher Kampf?«
»Den wir gerade hatten.« Crack hält grinsend seinen Eisbeutel hoch.
»Halt, halt mal eine Sekunde. Ihr wollt mich doch veräppeln. Oh Scheiße, Jungs, was – «.
»Jash, ganz cool. Alles okay.«
»Klar, Josh, wir kämpfen doch gern. Is ja unsere Hauptbeschäftigung.«
»Immer dran denken, Mann, im Grunde sind wir bloß’ne Horde Affen.«
Day erkundigt sich nach der Aftershowparty, seiner Definition nach geht die da ab, wo Beyoncé und ihre Mädels jetzt sind, und genau da will er auch hin. Team Bravo sekundiert einmütig, aber Josh glaubt, dass Destiny’s Child längst nicht mehr im Stadion sind. Billy hat keine Lust, noch mal nach den Kopfschmerztabletten zu fragen, und lässt es bleiben. Sie fahren mit einem Lastenaufzug hoch zur Wandelhalle im ersten Stock. Crack, Mango und Lodis gehen aufs Klo, um ihre Verwundungen zu verschönern.
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