Die irre Heldentour des Billy Lynn
Weg entlang. Er trägt Jeans, Timberlands, ein Flanellhemd und eine Cordjacke. Der Weg führt durch einen Wald, auch ein Fluss ist in der Nähe. Er kann die Schnellen rauschen hören und manchmal kurz das Wasser durch die Bäume glitzern sehen, aber das Bild schlingert und ruckelt, so lange, bis sich neben ihm Faison materialisiert, erst da entfaltet sich die ganze Szene in traumhafter HD-Qualität, er und Faison und ihr ruhiges Leben am sicheren Ort, sie lieben sich, vögeln acht-, neunmal am Tag, kochen zusammen und gucken Filme, gehen mit den Hunden spazieren. Hunde wären auch da. Und jede Menge Bücher, stapelweise Bücher, überall. Er würde sich in bester Shroom-Tradition dem Lernen widmen, bis die Dreckschleuder losginge, würde er schon viel mehr Wissen haben. Aber wenn die nun wirklich losging – wenn es Zeit wurde, sich zu wehren? Dann hätte er Faison, die Anwälte, seinen Silver Star hinter sich. Er könnte es schaffen. Er würde Aussagen machen. Ain’t gonna study war no more.
Rrrrraaaahhhhhxxxx-annnnnn , krächzt Sykes aus vollen Lungen, you don’t have to , dann dreht er sich um und textet die Fans in Reihe 8 zu, wie sehr er die Bravos liebt, ja zum Teufel, er liebt seine Jungs wie Brüder, er ist bloß’n armer weißer Dumpfsack aus Coon Cove, Florida, aber wenigstens hat er die Army, hooah! Nicht weit von Billy und Mango hängt Lodis im Tiefschlaf in seinem Sitz. Seine Schultern und Arme sind graupelbestäubt wie in einer Comicreklame für Antischuppenshampoo. Aus seiner Lippenwunde quillt ein Fitzelchen Unterhautgewebe. Eine nette Schischi-Lady in der Reihe davor bemerkt den schlafenden Soldaten, und sein Anblick ist so verlockend, dass sie sich ganz umdreht und ihn genauer betrachtet.
»Isser nich süß?«, sagt Mango.
»Wie kann er denn schlafen bei diesem Wetter?«, ruft sie.
»Genau genommen schläft er nicht, Ma’am«, erklärt ihr Crack. »Er ist in Ohnmacht gefallen.«
Die Lady lacht. Sie ist was Feineres, aber cool. Auch ihr Mann und ihre Freunde glucksen wohlwollend.
»Aber es ist doch so scheußlich hier draußen«, protestiert sie. »Kann er nicht wenigstens eine Decke bekommen oder so? Gibt die Army denn keine Mäntel aus?«
»Och, Ma’am, machen Sie sich um ihn keine Sorgen«, beruhigt Crack. »Wir sind von der Infanterie, da ist man ungefähr so was wie’n Hund oder’n Maulesel, wir sind zu doof, um auf Wetter zu achten. Ihm geht’s gut, glauben Sie mir, der spürt gar nichts.«
»Aber er holt sich doch Erfrierungen!«
»Nein, nein, Ma’am«, flötet Mango dazwischen. »Er kriegt immer mal wieder Kloppe, damit das Blut in Bewegung bleibt. Gucken Sie mal, so.« Er haut Lodis einmal hart auf den Bizeps. Lodis reißt schnarchend den Arm hoch, aber seine Augen bleiben zu.
»Gesehen?«, strahlt Mango die Lady an. »Dem geht’s prima. Der ist glücklich. Der ist wie’ne Küchenschabe, nicht totzukriegen.«
Die Lady raschelt in ihrem Gepäck, dann kniet sie sich falsch herum auf ihren Sitz und legt Lodis einen Snuggie über, eine von diesen Kuscheldecken mit eingebauten Ärmeln aus der Werbung im spätabendlichen Unterschichtfernsehen. Es dauert nicht lange, und die Bravos haben ihm ein selbst gebasteltes Schild unters Kinn geklemmt. OBDACHLOSER VETERAN – ERLEDIGE VAMPIRE FÜR ESSEN. Und darunter: WÜNSCHE EINEN GESEGNETEN TAG. Dazu ein Smiley. Plötzlich werden die Zuschauer lebhaft. Ein Cowboys-Lineman hatte sich einen gegnerischen Fumble geschnappt, war aber gestolpert, ausgerutscht und bis in die Drei-Yard-Linie der Bears geflutscht, die Referees waren dazwischengegangen, jetzt stehen sie vor der Wiederholungsanzeigean der Seitenlinie zusammen und diskutieren, glotzen, gestikulieren und diskutieren ein bisschen weiter, sie sind mindestens ein Team nobelpreisgekrönter Wissenschaftler bei der Feinjustierung für das bahnbrechende Krebsheilverfahren. Endlich wird eine Entscheidung entschieden. Nach eingehender Überprüfung ... Der Fumble wird als unvollständig gewertet, und das war’s dann für die Schischis in der Vorderreihe, sie packen ihre Sachen. Mango erinnert die nette Lady an ihren Snuggie. »Oh nein, das kann ich doch nicht machen«, sagt sie und lächelt hinunter zu Lodis, den schwer geplagten mit seinen graupelübersäten Lidern, dem ein Klümpchen Lippe vom Mund baumelt wie eine zermatschte Wanze. »Er sieht so kuschelig damit aus. Ich möchte, dass er ihn behält. Sagen Sie ihm, das ist ein Geschenk von mir.«
Team Bravo platzt heraus:
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