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Die irre Heldentour des Billy Lynn

Die irre Heldentour des Billy Lynn

Titel: Die irre Heldentour des Billy Lynn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ben Fountain
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das so weitergeht, will das bald kein Mensch mehr sehen. Viele Leute haben die Nase voll davon. Hast du das gesehen? Das kann man doch nicht tanzen nennen ...«
    »Mom, ich war dabei.« Sie hat offensichtlich ein Glas Wein intus, oder drei. Ja, tank dich voll, Mom, trink noch eins. Die Frau kann weiß Gott ein bisschen Feiern brauchen.
    »... weiß noch genau, als Tom Landry noch Coach war, da gab’s so was nicht. Da hatten die noch Regeln. Der hatte das Team an der kurzen Leine. Ich weiß gar nicht, ist das, seit Norman Oglesby das Team gekauft hat, oder seit er diesen Coach geholt hat oder ein paar von anderen neuen Leuten ...«
    Je länger sie redet, desto weinerlicher und ehrpusseliger wird sie, desto weniger achtet sie auf sich. Billy schiebt kleine zustimmende Töne dazwischen und wartet auf Ebbe in diesem Mamalog.
    »Ich hab gehört, ihr macht wieder ein wahnsinniges Thanksgiving-Fest.«
    »Na ja. So wie jedes Jahr.«
    »Dann wird es toll. Aber übernimm dich nicht.«
    »Nein, mir geht’s gut, die Mädchen helfen ja. Habt ihr da auch gefeiert?«
    »Ja klar, die haben uns gut gefüttert. Wir durften in einen Club, hier im Stadion.«
    »Ach, das ist ja nett.«
    Wieder fällt ihm ein, wie jämmerlich ihr Leben sein wird, wenn er krepiert, mal ganz ohne Einbildung. Der Mann ein Scherbenhaufen, der Sohn tot, stapelweise Arztrechnungen ... Vielleicht,denkt er, sollte er seine GI-Lebensversicherung erhöhen, dann überlegt er, ob die nicht komplett für Krankenhäuser draufgehen würde.
    »Wie geht’s Dad?«
    »Gut. Er ist im Wohnzimmer mit Pete und guckt das Spiel.«
    »Heh, die haben bestimmt Spaß zusammen.«
    »Na ja, sie kommen wohl klar miteinander.«
    Arme Mom, sie kann nicht anders, sie ist der Witzableiter auf der Bühne ihres eigenen Lebens.
    »Wo bist du denn gerade?«
    »In der Halle. Ich glaube, die wollen uns wieder zu unseren Plätzen bringen.«
    »Frierst du auch nicht?«
    »Mir geht’s prima, Mom.«
    »Weil ich gesehen hab, dass ihr gar nichts Warmes anhattet.«
    »Mir geht’s gut. Innen im Stadion ist es ziemlich warm.«
    »Na ja, du hast bestimmt zu tun. Dann lass ich dich mal.«
    »Eigentlich nicht«, sagt er aufgeregt. Vielleicht reden sie hier gerade zum letzten Mal miteinander – und das soll nicht dramatisch sein! –, und sie schmeißt ihn aus der Leitung, ihren eigenen Sohn. Nicht dass sie das so meint, das weiß er ja. Es ist einfach die Folge ihrer lebenslangen Angewohnheit, immer zu moderieren, und ihres Bedürfnisses, alles einzudampfen auf ihren routinierten, bescheidenen, lauwarmen Alltag. Er versteht ja, warum es Grenzen geben muss, aber ab einem bestimmten Punkt wird die Manie, alles auf Normalmaß zu bringen, zu Gift.
    Vielleicht versucht er deshalb, diesmal anders zu reagieren. »Na gut, Mom, sag allen, dass ich sie lieb hab. Und dich hab ich auch lieb, Mom.«
    »Ja Wiedersehen danke schönen Tag noch« , sagt sie hastig, und er kann sich ein kleines Lachen nicht verkneifen. Lass sie einfach, sagt er zu sich. Lass sie, wie sie ist. Es käme ihm fast grausam vor,sie jetzt zu etwas Authentischem zu drängen. Er drückt das Handy aus und verspürt plötzlich einen so heftigen Trauerkrampf, dass ihm die Knie leicht wegknicken. Er muss sich an der Wand festhalten und sich bewusst machen: Es ist ja nicht hundert Prozent sicher, dass er im Irak sterben wird. Rein statistisch gesehen, hat er sogar einigermaßen gute Chancen, nicht mal den sprichwörtlichen Kratzer abzukriegen, also außer dem Schnitt und den Schrapnellwunden, die er sich bei der Explosion auf der Dead Girl Road eingefangen hat, und er weiß, wenn er es wieder nach Hause schafft, wird er so was von gut sein. Gut für Mom, gut für die Familie. Und transzendental gut für Faison. Er fühlt eine Ahnung in sich aufsteigen, noch nicht ganz ausgeformt, aber mächtig, davon, wie man ein starkes, anständiges Leben lebt. Na ja, wirklich wissen kann man das nur, indem man es lebt, indem man Jahre so verbringt – aber vielleicht gibt es ja eine spezifische Erlösung nur für Kampfsoldaten, und vielleicht entsteht die daraus, dass man eine Passion für Alltäglichkeiten entwickelt? Er vermutet es wenigstens. So fühlt es sich an. Er hätte jedenfalls gern die Chance, das herauszukriegen.

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