Die irre Heldentour des Billy Lynn
Händeschütteln, aber nicht mehr so viele wie vorher. Major Mac hat in Reihe 7 die Stellung gehalten als einsamer Wachposten im Block mit den eisverspachtelten Sitzen. Billy landet wie üblich auf dem Randplatz, links neben ihm Mango, der Cheerleaderinnenrausch nach der Prügelei klingt langsam ab, und dem ganzen Team dämmert es allmählich, wie beschissen die Lage ist. Hier sitzen sie nun, komplett dem eisigen Gegraupel und Gegriesel ausgeliefert, und gucken sich ein strunzödes drittes Viertel an, es steht unentschieden 7–7, zwei Tage, bevor sie zurück in den Krieg fliegen. Ätzend! Mango beugt sich zu Billy.
»Du, Alter«, stöhnt er, »ich will bloß noch schlafen.«
»Ah ja. Was macht dein Ohr?«
»Tut schweineweh.« Eine Sekunde später finden sie das beide zum Brüllen komisch.
»Wollte der dir das abreißen oder was?«
»Der hatte überhaupt nix zu wollen, bloß eben anderthalb Zentner gewogen. Ich hätt den flachgelegt, wenn dem sein Bein nich so fett gewesen wär, ich hab mein’ Arm da nich drum gekriegt. Und ich so, eh Typ, mal was von Diabetes gehört? Du musst da’n bisschen was runterkriegen, ma’ne Zeit lang die Super-Big-Macs weglassen.«
Sie versuchen, sich aufs Spiel zu konzentrieren, aber das ist so langsam, also was soll’s. Die Fans um sie herum sind unter Decken, Schirmen und der einen oder anderen Plastikmülltüte wenigstens ein bisschen geschützt. Nur die Bravos hocken da wie Vieh auf der Weide, jedem Wetter preisgegeben. Billy zieht sein Handy aus der Tasche und starrt auf Faisons Nummer. Es juckt ihn, sie anzurufen, nur um die Ansage zu hören, sie klingt darauf viel südstaatlicher als in echt, die Vokale sind runder, die Gaumenlaute höhliger, die Stimme das Pendant zur zentraltexanischen Daunenmatratze.
»Du, Alter, ich glaub, ich bin verliebt.«
Mango fängt wieder an zu lachen. »Wär auch schwul, wenn nich. Hab genau gesehn, wie ihr auf dem Feld rumgefummelt habt. Will nämlich was heißen, wenn die so Sachen machen. Die fassen kein’ an, wenn sie nich drauf stehn.«
Billy stiert auf sein Handy.
»Haste etwa ihre Nummer?«
Billy nickt weihevoll.
»Mann, Scheiße, die kann dich ja echt gut leiden. Ganz schön ätzend, dass das erst am Ende von dem ganzen Trip kommt.«
Billy seufzt gleichzeitig vor Freude und Schmerz, die beiden gewaltigen Kraftantagonisten modeln ihn physisch komplett um. Die Riesenleinwand zeigt wieder das American-Heroes-Insert, danach geht es mit ohrenbetäubendem Knirschen durch den Werbeblock, immer dieselben Spots in der derselben verblödendenReihenfolge. FORD LKW DIE KRAFTPROTZE! TOYOTA! nissan! TOYOTA! nissan! ALLES, WAS SIE VON EINER BANK WÜNSCHEN DAM-DI-DI-DAMMMMM! Dann singt Sykes in seinem gruseligen Falsett laut los: If you can’t make me say ooo! , macht eine Pause, um den Fans lang und breit zu erklären, wie sehr er sie liebt, wie sehr er alle Amerikaner überall liebt, danach singt er weiter –.
Whaaa AAA tttt’s love got to do, got to do with it,
Whaaa AAA tttt’s love but a secondhand emooooo-shun.
Es spricht sich durch die Sitzreihe herum, dass Dime ihm vor etwa zwanzig Minuten eine dicke fette Valium eingetrichtert hat, und jetzt ist er das glücklichste Mädchen der ganzen USA.
Billy schreckt hoch, als sein Handy klingelt, und lässt es fast fallen. Er guckt aufs Display.
»Sie?«, fragt Mango.
Billy schüttelt den Kopf. Er kennt die Nummer nicht. Das Handy klingelt weiter, und nach einer Minute meldet ein Zirpton eine eingegangene Nachricht. Billy starrt es an. Er wünscht sich, dass das Handy ihm sagt, was er will. Er hört die Nachricht ab, dann lehnt er sich zurück und schließt die Augen. Was würde Shroom machen? Shroom würde zurück in den Krieg gehen, mit Sicherheit, aber das war nun mal sein Schicksal in diesem Lebenszyklus, Shroom verhielt sich gemäß seiner Inkarnation als Krieger, denn nur, wenn er die Stufe durchlaufen hatte, durfte er zur nächsten vorrücken. »Und auf welcher Stufe bin ich?«, hatte Billy gefragt, mehr scherzhaft, aber Shroom hatte nicht gelacht. Das weiß man erst, wenn man daran arbeitet, hatte er gesagt. Lernend, meditierend, kontemplativ, konzentriert. Das kriegt man nicht raus, wenn man sich durch seine Lebenszeit treiben lässt. Billy schließt die Augen und versucht sich ein Bild von sich auf dieser Ranch zumachen. Ganz sicher und abgelegen , hatte die Stimme im Handy gesagt. Ein guter Ort. Wir sorgen dafür, dass es dir an nichts fehlt. In seiner Vision geht er einen
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