Die irre Heldentour des Billy Lynn

guckst dem Alten in die Augen, und du weißt, der weiß das.
    »Dem Mann möchte ich nie begegnen«, hatte Billy gesagt, aber Shrooms Aussage war klar. Wenn dich eine Kugel erwischen soll, ist sie längst unterwegs.
    Billy fällt auf, dass Mango seit fünf Minuten nichts gesagt hat, das heißt, auch sein Freund ist mit seinen Gedanken im Krieg. Er überlegt kurz, das Thema anzusprechen, aber was soll man sagen, wenn man nichts in der Hand hat? Vielleicht kriegt man den Mund nicht wieder zu, wenn man ihn erst mal aufgemacht hat, auch wenn am Ende sowieso alles bloß auf die eine Frage hinausläuft, nämlich wie sie um Himmels willen noch durch elf solche Monate kommen.
    »Bis jetzt hast du Glück gehabt, stimmt’s?«
    Das hatte ihn Kathryn bei ein paar Bier im Garten gefragt.
    Ja, hab ich wohl, hatte Billy geantwortet.
    »Dann hab bloß weiter Glück.«
    Manchmal fühlt es sich wirklich so leicht an, einfach das Glückhaben nicht vergessen. Das geht ihm durch den Kopf beim Anblickder aufgereihten Fast-Food-Läden entlang der ganzen Halle, dein Taco Bells, dein Subways, dein Pizza Huts, Papa John’s, aus allen Buden wabern Wolken von heißen Fleischdünsten, und dass sie alle ziemlich gleich riechen, spricht natürlich nur für die Genialität der amerikanischen Küche. Im Grunde, dämmert ihm, ist dieses Texas Stadium ein Scheißhaus. Es ist kalt, finster, zugig, dreckig, es hat den ganzen Charme einer Werkshalle, wo die Leute in die Ecken pissen. Durch die Halle zieht tatsächlich ein matter Hauch von Urin.
    »Krass«, staunt Mango leise.
    »Was?«
    »X-tausend Gringos hier, aber nicht ein Major Mac.«
    Billy schnaubt. »Den Armleuchter finden wir nie. Außerdem ist der erwachsen, wieso müssen wir den überhaupt suchen.«
    »Der weiß schon, wo er ist.«
    »Sollte man meinen.«
    Sie sehen sich an und fangen an zu lachen.
    »Lass uns zurück«, sagt Billy.
    »Lass uns zurück«, sagt auch Mango.
    Aber vorher holen sie sich bei Sbarro noch ein paar Pizzaecken auf Papptellern und essen sie im Stehen, selig, dass kein Mensch sie bisher erkannt hat. Als Bravo hat man einen Status wie Semi-Promis, und die ewige Lobhudelei und Anbeterei können einen ziemlich plattmachen. Wenn man auf Riesenbühnen auftritt, zum Beispiel, oder in Einkaufscentern oder sobald Kameras und Mikrofone dabei sind, früher oder später wird man auf das Liebevollste von Durchschnittsamerikanern gemobbt, die alle unbedingt kundtun wollen, wie dankbar sie einem sind, ansonsten ist man so gut wie unsichtbar, die Leute gucken einfach durch einen durch, ohne jede Reaktion. Hier in der Stadionhalle essen Billy und Mango brüllheiße Pizzaecken im Stehen, wohl wissend, dass der ganze Ruhm gar nicht ihnen gilt. Eigentlich istder auch bloß wieder was Lachhaftes, ein frei flottierendes Riesenhologramm aus Kontext und Stichwort, mit dem alle Welt an der Nase herumgeführt wird, die Bravos eingeschlossen, nur dass die Bravos darüber lachen und sich sogar ein bisschen überlegen fühlen können, denn sie wissen, dass sie nur benutzt werden. Natürlich wissen sie das, Manipulation ist ihr Element, die Luft, die sie atmen, was tut ein Soldat denn anderes als ein Bauer im Schachspiel von Vorgesetzten?
    Zieh das an, sag das, geh dahin, erschieß die, und natürlich das finale, das endgültige lass dich töten . Jeder Bravo ist ein Doktor der Kunst und der Wissenschaft der Nötigung. Die Pizza ist alle, und Billy und Mango gehen weiter. Aufgekratzt, weil sie wieder etwas im Magen haben, und nur so aus Jux schlendern sie zu Cowboys Select, der edelsten Boutique für Cowboys-Klamotten und Fanartikel vor Ort. Schon an der Tür sind sie leicht beduselt vom Lederduft und den Flackerlämpchen der Texas-Lottery-Automaten. Über Flatscreens oben an den Wänden flimmern die Highlights der Troy-Aikman-Ära. Sie gehen hinein, leicht benebelt und gefasst auf eine groteske Boutiquenszenerie, aber was sie hier sehen, führt in Sekundenschnelle zu einem lauten Lachanfall. Es sind nicht nur endlose Ständer mit Luxusklamotten, der teure Schmuck, die Starfotos für Sammler mit Zertifikat und Rahmen, nein, die Konsequenz, die schiere Marketing-Dreistigkeit, mit der das Cowboys-Logo auf allem prangt, auf Schachbrettern, Mikrowellen, Großraumeiswürfelmaschinen, Heimsauerstoffgeräten und lasergesteuerten Pool-Queues, ist regelrecht angelegt auf Bewunderung. Guck dir das an, Alter! Eine komplette Cowboys-Küchenausstattung. Die beiden Soldaten sind so auf Krawall gebürstet, dass