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Die irre Heldentour des Billy Lynn

Die irre Heldentour des Billy Lynn

Titel: Die irre Heldentour des Billy Lynn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ben Fountain
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eine Deformation des menschlichen Geistes. Sie gehen schnurstracks wieder zu Papa John’s, Bier holen. Diesmal gibt es einen kleinen Auflauf, als Billy mit seinen Liegestützen anfängt, die Zuschauer zählen mit und jubeln, als er wieder auf die Beine kommt. »Noch mal!«, schreit jemand, aber Billy hebt nur den Becher zum Gruß und trinkt. Dann machen sich die beiden Soldaten auf den Weg.
    »Kann ja nicht schwer sein.«
    »Genau. Sind ja bloß, wie viel? Achtzigtausend Leute hier?«
    »Wenn du Major Mac wärst, wo würdest du hingehen, und wann würdest du da hingehen?«
    »Vielleicht ist der zurück auf sein Mutterschiff, Alter.«
    Sie lachen. Major Mac redet selten, isst und trinkt kaum je, und bei der Selbsterleichterung hat ihn überhaupt noch niemand gesehen, für die Bravos Anlass zu Spekulationen, ob ihr Presseoffizier eventuell ein Mensch neuer Bauart ist, der Verzehr wie Verdauung über die Poren abwickelt. Sergeant Dime hat dank geheimnisvoller Drähte in Erfahrung gebracht, dass der Major an seinem allerersten Einsatztag nicht nur einmal, sondern gleich zweimal in die Luft geflogen war, was zu einem massiven, aber noch nicht endgültig bezifferten Hörschaden geführt hatte. Bis zur Klärung seiner weiteren Verwendung hat die Army ihn in der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit zwischengelagert. Major Mac ist ein kantiger Typ mit Kinnkerbe und Stahl in der Wirbelsäule, jeder Zentimeter ein Mustermann, was erklären könnte, wie er das alles so lange durchhält, denn in Wahrheit ist der Mann taub wie ein Laternenpfahl, ganz zu schweigen von seinem Hang zu extrem dissoziativen Ausfällen. Dann ist er komplett neben der Tasse. Hirnschlag. Nirwana. Licht aus und Feierabend. Dann kriegt er, in Dimes Worten, seinen kilometerfernen Prozac-Blick.
    Nach Major Mac zu suchen, ist einer von den Millionen sinnloser Aufträge, deretwegen die Army ist, was sie ist, aber die Sucherei ist Billy entschieden lieber, als sich den Arsch platt zu sitzen. Außerdem ist er gern mit Mango zusammen, nicht nur weil ein Latino-Kumpel einem street-credibility verschafft, sondern weil sein Freund Mango Ruhe und Kameradschaftlichkeit ausstrahlt. Er ist ein Fels in der Brandung, im Krieg wie im Frieden. Er ist tough wie der Teufel, 1,72 groß, aber stämmig, er meckert nie, schleppt locker Zentner und hat ein fotografisches Gedächtnis für Statistiken und Zeitgeschichtsdaten, er kann zum Beispielnicht bloß sämtliche US-Präsidenten, sondern auch Vize präsidenten mit Namen runterrasseln, was jedes Gequatsche über illegale Einwanderer schnell zum Erliegen bringt. Billy hatte Mango nur ein einziges Mal zusammenbrechen sehen, und zwar nicht in einem Feuergefecht, auch nicht, wenn sie unter Mörser-, Raketen- oder Heckenschützenfeuer gerieten oder neben der Straße eine Bombe hochging, nicht mal, als es ihn selbst aus dem Geschützturm des Humvees gedroschen hatte. Da hatte Mango nur gefragt: »Guckt mir irgendwas aus dem Kopf?« Ein Fels in der Brandung. Bis zu dem einen Tag, als eine Autobombe den Checkpoint des dritten Zugs in die Luft gejagt hatte und Team Bravo zur Tatortsicherung eingesetzt worden war. Ein sowieso schon schlimmer Tag, aber erst, als sie ausschwärmen und säuberlich alle abgerissenen Gliedmaßen einsammeln mussten, war Mango wie ein Häufchen heulendes Elend in die Knie gegangen.
    Jetzt dürfen sie spazieren gehen, und es wäre so schön, wenn sie dem ganzen Krieg durch schiere Willenskraft einfach davonspazieren könnten. Billy checkt sein Handy, eine SMS von Kathryn, seiner Schwester mit dem zerschnittenen Kinn. Wo bist du , will sie wissen, und er simst zurück: stadion . Wieder sie: mom besorgt wg kälte , er: bin unter dampf , und sie schickt einen Smiley. Er knurrt, genau wie Mango, freudig bei jedem gutaussehenden weiblichen Wesen, das vorbeikommt, obwohl in dem dichten Gedränge nicht viel zu erkennen ist.
    »Unglaublich, die Mädels da gestern Abend, was?«
    »Der Brüller«, findet Billy auch. »Sagen ja alle, Dallas hat die besten Stripclubs.«
    »Aber echt. Voll der sensorische Overkill, Alter, wo kommen die eigentlich alle her? Der Laden, wo wir waren, nicht der letzte, der davor, mit den Tänzerinnen in dem Käfig – «.
    »Vegas Starz.«
    »– Vegas Starz, genau, ich so, verdammt noch mal, Mädel, wiesoschaffst du’n hier ? Ich mein, die könnten doch alle Models sein da, also richtig Models, nicht so Strippertussen.«
    Mango klingt echt erschüttert, als sähe er eine Tragödie heraufziehen,

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