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Die irren Fahrten des Gabriel Delacruz: Roman (German Edition)

Die irren Fahrten des Gabriel Delacruz: Roman (German Edition)

Titel: Die irren Fahrten des Gabriel Delacruz: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jordi Punti
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aber sein letztes Bild aus dem Innern des Pegaso war das erschrockene, verfrorene Gesicht dieses Mannes, der zum Fenster hereinsah und auf ihn einsprach. Als Nächstes fand er sich abermals auf der Autobahn wieder, in einem Krankenwagen, umgeben von weiteren Fahrzeugen mit Blaulicht. Ein Sanitäter schiente ihm den linken Arm – an zwei Stellen gebrochen, in Ellenbogenhöhe – und ein zweiter reinigte ihm mit Watte und Alkohol die Wunden am Hals und im Gesicht. Seine Stirn, seine Nase und eine Wange waren von Glassplittern zerschnitten. Das geschäftige Schweigen der beiden Helfer deutete schon auf die furchtbare Nachricht hin, doch als sie ihn auf der Bahre ins Krankenhaus schoben, fragte Gabriel trotzdem auf Deutsch: »Mein Freund?«
    Der Sanitäter schüttelte den Kopf.
    Diesen Tag und den nächsten verbrachte Gabriel in Kassel auf der Intensivstation. Zunächst wurde er geröntgt, und sein Arm wurde eingegipst, dann behielten sie ihn zur Beobachtung da. Nach Frankfurt ist es von dort nicht allzu weit, und wir wissen nicht, ob er auf den Gedanken kam, Sigrun anzurufen. Wir wissen nur, dass er es nicht getan hat. Ich halte es nicht für abwegig, darin das erste Anzeichen dessen zu sehen, was uns alle vier hierhergeführt hat: seine dauerhafte Reglosigkeit.
    In einem weiteren Krankenwagen war unterdessen der tote Bundó abtransportiert und in den Leichenkeller desselben Hospitals gebracht worden. Ein Kran barg die Überreste des Pegaso, die deutsche Polizei prüfte die Fahrzeugpapiere, machte das Umzugsunternehmen in Barcelona ausfindig und setzte Herrn Casellas von dem Unfall in Kenntnis.
    Am frühen Abend, als Gabriel sich einsam zu fühlen begann, besuchte ihn der Sekretär des spanischen Konsulats in Frankfurt. Das Gesicht kam ihm bekannt vor, denn zwei Jahre zuvor hatten sie dem Mann seinen Umzug gemacht. Er sprach Gabriel sein Beileid wegen Bundós Tod aus und eröffnete ihm dann, dass der Herr Konsul, ebenfalls ein alter Kunde von La Ibérica, einen Anruf von Herrn Casellas erhalten habe, mit der Bitte um Rat und Hilfe. Herr Casellas lasse ausrichten, Gabriel könne auf seine volle Unterstützung zählen; ihm sei ja bekannt, dass Bundó sein bester Freund gewesen war. Zudem übermittle er ihm seine besten Wünsche für eine schnelle Genesung. Der Sekretär fuhr mit praktischen Erläuterungen fort. Im Konsulat habe man die nötigen Schritte unternommen, damit die deutsche Zweigstelle des Versicherungsunternehmens sich um die Verschrottung des Lastkraftwagens kümmere. Sofern die Ärzte bestätigen konnten, dass Gabriel keine inneren Verletzungen davongetragen habe, was ihm zu wünschen sei, habe man für ihn einen Platz auf dem Lufthansa-Flug von Frankfurt nach Barcelona am übermorgigen 16. Februar reserviert. Mit derselben Maschine werde, wenn es ihm nicht unannehmlich sei, auch der Leichnam Serafí Bundós in die Heimat überführt. Natürlich stelle das Konsulat, wie in solchen Fällen vorgeschrieben, für den Transport einen Notfallsarg zur Verfügung.
    Gabriel nickte mechanisch zu den Worten des Sekretärs oder gab einsilbige Antworten. Die Situation widerte ihn an, doch im Grunde kam ihm die polierte diplomatische Keimfreiheit dieses Tintenpinklers gelegen. Die Beruhigungsmittel, die man ihm verabreicht hatte, lähmten ihm das Gehirn, und er war dankbar dafür. Nichts denken. Sich aufgeben. Als der Gehilfe des Konsuls sich von ihm verabschiedet hatte, drang dennoch eine Erinnerung bis in die Einsamkeit seines Krankenzimmers durch. Beim Umzug des Sekretärs und seiner Familie damals hatten die drei Möbelfahrer von La Ibérica eine Tasche mit Sportkleidung abgezweigt. Eine eher karge Beute: Trainingsanzüge, Badelatschen, ein Paar Tennissocken, die keiner wollte, eine Taucherbrille. Obwohl er nicht in seiner Größe war, hatte Bundó einen offenbar nagelneuen Bademantel aus königsblauem Frottee, von aristokratischem Schnitt, mit einem in Herzenshöhe aufgestickten Wappen, unbedingt haben wollen. Nun, da Gabriel dem ursprünglichen Besitzer wieder begegnet war, lang und hager und mit Beileidsmiene, trat ihm das Bild von Bundó in diesem Bademantel vor Augen. Als sie noch beide in der Pension wohnten, hatte er ihn eine Zeit lang getragen, wenn er aus der Dusche kam, oder als Hausmantel über den Pyjama, und es sah jedes Mal sehr komisch aus. Selbst mit dem Gürtel gelang es Bundó nicht, den Mantel ganz um seinen massigen Leib zu schließen, zugleich schleifte der Saum über den Boden. Gabriel sagte

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