Die Jaeger
Lass mich rein.«
Er schlurfte zur Tür und schloss sie umständlich auf. Als ich endlich im Laden stand, sprudelte es aus mir heraus: »Es sind zwei Vampirjäger in der Gegend, die euch töten werden. Einen von ihnen habe ich am Nachmittag im Dorf gesehen, den kann ich erkennen. Ihr müsst verschwinden.«
»Scheiße.« Mehr sagte Leif erst einmal nicht. Er stierte nachdenklich ins Leere. Aber vielleicht war er wieder eingeschlafen, denn er rührte sich minutenlang nicht. Konnten Vampire im Stehen und mit offenen Augen schlafen? Keine Ahnung.
»Leif?«, fragte ich schließlich.
»Ich denke nach«, antwortete er. Dann sah er mich mit völlig klarem Blick an. Er war hellwach. »Woher weißt du das?«
»Ich habe es geträumt.«
Er starrte für einen kurzen Moment erneut in die Ferne, dann kehrte sein Blick zu mir zurück.
»Ich weiß nicht, ob es gut ist, wenn wir verschwinden. Gestern hielt ich das noch für eine prima Idee, aber jetzt, nach lediglich drei Stunden erquicklichen Schlafes …« Er ließ das Ende des Satzes in der Luft hängen und sah mich anklagend an.
»Ich wollte dich warnen!«, rechtfertigte ich mich.
»Hätte das nicht Zeit bis morgen gehabt? Glaubst du wirklich, ich verhalte mich im Schlaf so verdächtig, dass sofort jeder merkt, dass ich ein Grabflüchter bin?«
»Keine Ahnung. Ich hab dich noch nicht schlafen sehen.«
Er zog die Stirn kraus. »Du hast es geträumt, das heißt nicht, dass es passieren wird.«
»Das heißt aber, dass ihr in Gefahr seid!«
»Das mag sein, aber auf einen bloßen Verdacht hin gehe ich nicht ins Exil. Der Mord ist aufgeklärt, wir sind nicht verdächtig.«
»Und wenn sie mit Wärmekameras kommen?«
»Auch darauf bin ich vorbereitet.« Er verriet mir nicht, wie.
»Aber ich habe gedacht, ihr fürchtet euch so vor ihnen.« Ich war irritiert, denn vor allem Leif hatte so getan, als würden die Vampirjäger das Ende der Welt bedeuten.
»Das tun wir auch, wenn sie in Gruppen kommen und als AVEKS das ganze Dorf auseinandernehmen. Wenn es nur zwei sind, bedeutet das, dass sie sich nicht sicher sind, ob es hier tatsächlich Vampire gibt und nur insgeheim nach Hinweisen suchen. Wenn wir uns nicht auffällig verhalten, ziehen sie wieder ab. Und selbst wenn, sie sind nur Menschen und nicht unsterblich.«
Ich überhörte geflissentlich den letzten Satz und atmete auf. »Das heißt, dass ich vielleicht nur eine Warnung geträumt habe, damit ihr nicht auffällig werdet.«
»Wahrscheinlich. Aber vielleicht sollte ich nichtsdestotrotz mal einen längeren Urlaub in Erwägung ziehen.« Sein Blick wanderte nach draußen, wo gerade ein Auto vorgefahren kam.
»Der kann froh sein, dass ich schon wach bin«, knurrte er unwillig. Ich musste lächeln. Ich fühlte mich erleichtert. Wenn Leif das mit den Vampirjägern so leicht nahm, war es vielleicht wirklich halb so schlimm.
Ich beobachtete, wie eine Frau aus dem Wagen stieg und tankte. Sie sah umwerfend aus. Langes dunkles Haar, das im Nachtwind leicht wehte. Sie hatte endlos lange Beine und eine schlanke Figur.
»Hoppla, die muss sich doch verfahren haben«, flüsterte Leif ungläubig und strich sich mit den Händen durch sein vom Schlaf zerwühltes Haar. »Ich glaube, sie braucht Hilfe.«
»Du bist noch im Schlafanzug«, rief ich ihm hinterher, doch das hörte er nicht mehr. Oder wollte es nicht hören.
Die Frau sah ihn überrascht an, als er ihr sanft den Zapfhahn aus der Hand nahm und ihren Wagen selbst betankte. Dann ließ sie es mit einem Lächeln geschehen. Ich konnte nicht verstehen, worüber die beiden sich unterhielten, aber er musste etwas Witziges gesagt haben, denn sie lachte auf. Er machte eine ausladende Armbewegung, als würde er nach Mullendorf deuten. Sie schüttelte den Kopf.
Ich hatte wenig Lust, den Flirt noch weiter zu verfolgen, und ging zur Kaffeemaschine, um mir einen Kaffee aufzubrühen. Gerade, als das Wasser kochte, öffnete sich die Tür hinter mir und Leif kam mit der Frau herein. Aus der Nähe sah sie noch besser aus. Sie hatte goldbraune Augen und eine feine, leicht gebräunte Haut. Ihre Lippen waren voll, dahinter blitzten zwei Reihen perfekter weißer Zähne. Sie hätte sogar mich um den kleinen Finger wickeln können.
»Also, überlegen Sie es sich. Morgen beginnt das berühmte Mullendorfer Kürbisfest, das Sie sich auf keinen Fall entgehen lassen sollten. Was wollen Sie nur an der See? Hier auf dem Land ist es viel schöner. Nicht wahr, Moona?«
Ich nahm abweisend die Hände hoch.
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