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Die Jaeger der Nacht

Die Jaeger der Nacht

Titel: Die Jaeger der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Fukuda
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angewidert zurück.
    »Ah ja. Dieser Verhaltenszug ist relativ unerklärlich, ganz zu schweigen von seiner Scheußlichkeit. Er zeugt von fehlenden Jagdfertigkeiten und der Unfähigkeit, tatsächlich irgendetwas zu töten, das größer ist als Ungeziefer. Deswegen müssen Hepra Sachen erbeuten, die nicht fliehen können: Früchte der Erde, Obst und Gemüse. Dieser Zug entwickelte sich so extrem, dass ihre Körper irgendwann auf Obst und Gemüse angewiesen waren. Wenn man es ihnen entzieht, brechen sie zusammen. Ihre Körper werden von rötlichen Pusteln überzogen, Lippen und Zahnfleisch werden wund, was schließlich zum Ausfall der Zähne führt. Die Hepra werden unbeweglich und fallen in einen depressiven, vegetativen Zustand. Nächstes Dia.«
    Ein Foto der Hepra-Gruppe unter der Kuppel. Sie sitzen mit offenem Mund um ein Lagerfeuer, den Kopf zur Seite gelegt, die Augen geschlossen.
    »Nichts hat die Gelehrten so sehr verwirrt und fasziniert wie die Fähigkeit der Hepra, trällernde Worte hervorzubringen, und das mit bemerkenswerter Ausdauer. Am Hepra-Institut durchgeführte Studien haben gezeigt, dass Hepra diese Ululationen – die sie selbst ›Singen‹ nennen – mit erstaunlicher Präzision wiederholen können. Tatsächlich kann ein Lied Minuten, Tage, Monate, sogar Jahre nach seinem ersten Vortrag mit beinahe gleichbleibenden Frequenzen wiederholt werden. Darüber gibt es eine Vielzahl von Theorien. Keine von ihnen bietet eine befriedigende Erklärung, mit Ausnahme einer Hypothese, die ich im vergangenen Jahr auf der jährlichen Konferenz für Hepra-Studien präsentiert habe. Im Wesentlichen haben Hepra dieses ›Singen‹ meines Erachtens unter dem irrigen Glauben entwickelt, dass es dem Wachstum ihres Obstes und Gemüses förderlich sei. Deswegen sehen wir sie auch am häufigsten ›singen‹, wenn sie ihr Ackerland bestellen oder Früchte von den Bäumen pflücken. Manche Wissenschaftler behaupten, dass Hepra möglicherweise auch glauben, das ›Singen‹ würde ein Feuer am Brennen halten und ihren Körper gründlicher reinigen. Beweis dafür ist ihre Neigung, ihre Stimmen zu erheben, wenn sie um ein Feuer versammelt sind oder im Teich baden.«
    Ich sitze auf meinem Platz und verberge meine innere Belustigung. Alles, was der Direktor über Hepra sagt, klingt nach Wahrheit und gelehrtem Fachwissen, aber ich vermute, dass es nichts als spekulativer Unsinn ist. Vermutlich ist es leicht, übers Ziel hinauszuschießen, wenn es um Hepra geht, und rasch von ernsthafter wissenschaftlicher Forschung in unbegründete Theorie abzugleiten. Wenn die Rollen umgekehrt und die Leute ausgestorben wären, würden die Theorien über sie wahrscheinlich auch vor Übertreibungen und Verzerrungen strotzen: Statt in Schlafhaltern würden sie in Särgen schlafen; als Wesen der Nacht wären sie so unsichtbar, dass sie kein Spiegelbild hätten; blass und ausgezehrt wie sie sind, müssten sie schwache und gütige Wesen gewesen sein, die friedlich mit den Hepra zusammenlebten und irgendeinen Weg gefunden hätten, sich zu beherrschen, anstatt ihr Blut auszusaugen; sie sähen ausnahmslos unglaublich gut aus, mit makellosem Haar. Wahrscheinlich würde es auch einige total fantastische Geschichten geben, wie zum Beispiel, dass sie mit schwindelerregendem Tempo unter Wasser schwimmen könnten; oder lachhafte und groteske Fantasien über romantische Beziehungen zwischen Hepra und Leuten.
    Zwei Reihen vor mir reißt Mucki plötzlich heftig den Kopf in den Nacken.
    »Verzeihung«, murmelt er.
    Der Direktor starrt ihn an und fährt dann fort. »Eine weitere Verirrung der Natur ist ihre reichlich absurde Veranlagung, winzige Tröpfchen salzigen Wassers abzusondern, wenn ihnen heiß wird oder sie in Stress geraten. Unter diesen extremen Bedingungen verströmen sie auch einen starken Körpergeruch, besonders unter den Achselhöhlen, die vor allem bei männlichen Hepra ein Nest von Körperhaaren bergen. Es ist üblich, dass sie …«
    Muckis Kopf schnellt erneut nach hinten. »tschuldigung«, sagt er, »ich wollte nicht stören. Aber riecht das niemand außer mir? Hepra-Geruch?« Er dreht sich um und fixiert mich einen furchtbaren Moment lang mit seinem Blick. »Riechst du das nicht?«
    »Ein bisschen. Nur ein bisschen«, antworte ich.
    Der Direktor sieht mich an. Ein kalter Schauder durchläuft meinen Körper.
    Kontrolliert atmen, Augenlider halb geschlossen halten, die Blicke nicht hin und her zucken lassen.
    »Es ist wirklich intensiv, der

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