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Die Jaeger der Nacht

Die Jaeger der Nacht

Titel: Die Jaeger der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Fukuda
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lege mir den Arm übers Gesicht, versuche abzuschalten, doch ich weiß, dass ich der Realität ins Auge sehen muss. Vor Kurzem schien Plan A noch perfekt: während der Trainingsphase unter dem Radar wegtauchen und sich in der Nacht vor der Jagd ein Bein brechen. Aber mittlerweile hat sich die Lage verändert. Mit einem Körper, der »Friss-mich«-Düfte verströmt, und einer Zunge, so trocken wie Schmirgelpapier, schaffe ich es nicht bis zur Jagd in vier Nächten. Entweder ich verdurste vorher oder ich werde gierig verschlungen. Wahrscheinlich Letzteres.
    Ich liege auf der Couch, dumpfe Angst drückt mich ins Polster, und ich döse langsam weg. Eigentlich ist es eher ein Sturz in eine tiefe Schlucht aus Schlaf.
    Durst weckt mich. Ich huste. Tausend Splitter durchlöchern meine verdorrte Kehle.
    Langsam hebe ich den Arm vor meinen Augen. Es ist dunkel, die Fensterläden haben sich geschlossen. Aber etwas ist seltsam. Ich kann die Inneneinrichtung der Bibliothek düster, aber deutlich erkennen, so als würde irgendwo eine Kerze brennen.
    Unmöglich. Meine Benommenheit ist rasch verflogen. Ich reiße den Kopf herum und dann sehe ich die Lichtquelle.
    Ein einzelner dünner Sonnenstrahl fällt durch ein Loch in dem Fensterladen hinter mir und an meinem Ohr vorbei auf die gegenüberliegende Wand der Bibliothek. Eine Linie aus Licht, wie ein Laserstrahl, und scheinbar undurchdringlich. Gestern ist sie mir nicht aufgefallen, aber da habe ich während der Tagesstunden auch auf der anderen Seite der Bibliothek tief geschlafen.
    Ich gehe zu dem Fensterladen. Zögernd hebe ich die Hand zu dem Loch und erwarte fast, dass das Licht meine Hand verbrennt. Aber ich spüre nur einen kleinen Stich von Wärme auf der Haut. Das Loch ist vollkommen rund und an den Rändern glatt. Sehr seltsam. Das ist kein Zufall, keine Folge natürlichen Verfalls. Dieses Loch wurde mit Absicht gemacht – durch einen fünf Zentimeter dicken, stahlverstärkten Fensterladen gebohrt. Aber zu welchem Zweck? Und von wem?
    Der verrückte Forscher. Das ist nicht schwer zu erraten; sonst hat niemand hier gewohnt. Aber warum würde er so etwas tun? Ein solcher Sonnenstrahl würde eine Person nicht nur am Schlaf hindern, sondern auch bleibende Netzhaut- und Darmschäden verursachen. Das ergibt alles keinen Sinn.
    Oder vielleicht hatte der Forscher auch nichts damit zu tun? Vielleicht wurde das Loch erst nach seinem Verschwinden von Institutsmitarbeitern gebohrt. Aber warum? Und wenn man wusste, dass ich in der Bibliothek untergebracht werden sollte, hätte man das Loch vor meinem Einzug doch gestopft. Auch das ergibt keinen Sinn.
    Und dann durchfährt mich eiskalt ein Gedanke, der mich frösteln lässt.
    Ich schüttele den Kopf, wie um ihn zu vertreiben. Aber er hat in meinem Gehirn angedockt und lässt sich nicht widerrufen. Und je länger ich darüber nachdenke, desto einleuchtender erscheint er mir.
    Jemand hat dieses Loch gebohrt. Heute Nacht.
    Um mich zu testen. Um mich zu entlarven.
    Um herauszufinden, ob ich ein Hepra bin.
    Das ergibt Sinn. Mein ungewaschener Körper verströmt einen Geruch, der einen Verdacht weckt. Aber bevor man mich anklagen kann, braucht man weitere Beweise. Bei Tag einen Sonnenstrahl in die Bibliothek zu schicken, ist perfekt. Unauffällig, aber schlagend.
    Einen Sonnenstrahl, der so dünn ist, dass er ein Hepra nicht wecken würde, aber stark genug, um eine normale Person aus dem Schlaf zu reißen und auf die andere Seite der Bibliothek zu treiben, sodass sie bei Anbruch der Dunkelheit auf der Stelle ein neues Zimmer verlangen würde. Der perfekte Lackmustest.
    Ich laufe durch die Gänge und versuche meine Angst in Schach zu halten. Ich streiche mit den Fingerspitzen über die verstaubten Rücken der Ledereinbände. Schließlich wird mir klar: Meine Theorie hat einen Haken. Die Einzigen, die etwas ahnen könnten, sind diejenigen, die sich in meiner Nähe aufgehalten haben, also die Jäger und die Begleiter. Aber die waren die ganze Nacht mit mir zusammen. Wir haben uns nie aus den Augen verloren. Niemand hatte Gelegenheit, sich davonzuschleichen und ein Loch durch fünf Zentimeter dicken, verstärkten Stahl zu bohren.
    Ich kehre zu dem Loch zurück und betrachte es noch eingehender. Die Ränder sind matt und verwittert, nicht glänzend oder scharf, wie sie es nach einer frischen Bohrung sein müssten. Ich bücke mich und suche nach frischen Spänen. Nichts. Dieses Loch ist schon eine Weile dort.
    Damit sitze ich in der Patsche. Wenn

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