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Die Jaeger der Nacht

Die Jaeger der Nacht

Titel: Die Jaeger der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Fukuda
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rolle mich auf die Seite und springe auf. Ich muss möglichst viele Türen zwischen sie und mich bringen. Das wird sie bremsen, meinen Geruch zumindest ein wenig dämpfen. Jedes bisschen zählt.
    Ich schlüpfe durch eine Doppeltür und höre nur Sekunden später, wie dieselbe Tür erneut aufgestoßen wird, knallend wie ein Gewehrschuss. Ich renne nicht einfach die Treppe hinunter, ich springe von Absatz zu Absatz. Schmerz schießt in meine Beine und meinen Rücken.
    Sie holen auf. Egal wie sehr ich mich antreibe, egal wie halsbrecherisch ich die Treppe hinunterhüpfe, der Lärm der Gruppe hinter mir kommt immer näher. Harte scharrende Geräusche, das Rascheln von Kleidung. Es ist jetzt nur noch eine Frage der Zeit.
    Es sei denn …
    »Hier entlang!«, rufe ich. »Der Geruch kommt aus dieser Richtung, er ist wirklich kräftig! Ich glaube, ich bin ihm auf der Spur!«
    »Wieso ist der so weit vor uns?«, ruft jemand ein Stockwerk über mir.
    Ich stürze krachend durch eine Doppeltür, renne den Flur halb hinunter, reiße eine weitere Doppeltür auf und sprinte, drei Stufen auf einmal nehmend, die Treppe hinauf.
    »Warte auf uns!«, ruft jemand direkt unter mir.
    »Kommt nicht infrage! Ich hab es so gut wie erwischt.«
    »Wie kann der Lahmarsch schneller sein als wir?« Sie holen so rasch auf, dass es nur noch eine Frage von Sekunden ist.
    Durch eine weitere Doppeltür, ein irrer Sprint einen langen Flur hinunter. Ich werfe einen kurzen Blick zurück: Die Meute kommt auf mich zu wie eine rasende Welle, Hagermann springt vom Boden zur Decke, Mucki saust an der Kante zwischen Wand und Decke entlang, die anderen stürmen hinterher, ihre Gesichter unbewegt, die Reißzähne gebleckt. Drei Sekunden.
    Ich werfe mich gegen die Doppeltür vor mir. Sie schwingt mit einem seltsamen Hauch von Vertrautheit auf und dann sehe ich warum: Ich bin wieder in dem Vorlesungssaal. Ich bin im Kreis gelaufen! Der Saal ist vollkommen leer. Alle haben sich der Jagd angeschlossen.
    Wo möchte ich sterben, frage ich mich. Hinten? Dramatisch auf einem Tisch stehend? Beim Rednerpult?
    Und dann sehe ich das Fenster.
    Springe hoch und reiße es auf.
    Keine Millisekunde später schwappt die Gruppe herein wie eine große schwarze Welle. Sie bewegen sich vollkommen geordnet: über den Boden, an der Decke, den Wänden, es gibt kein Gedrängel, nur einen gleichförmigen reißenden Strom aus zuckenden Köpfen und geblähten Nüstern, der sich in den Vorlesungssaal ergießt.
    »Es ist gesprungen! Es ist aus dem Fenster gesprungen!«, rufe ich, während ich vor dem Fenster hocke und nach draußen zeige. Noch bevor ich den Satz beendet habe, drängeln sich vier von ihnen auf der Fensterbank und spähen mit mir hinaus, ihre Köpfe bedrohlich nah an meinem, die Augen verdreht, die Nüstern gebläht. Zum Glück kommt eine frische Brise auf.
    »Ich kann es überall riechen! Gleich hier, es versteckt sich, aber wo?«
    »Es ist weg …«
    »Wir können es kriegen, es kann noch nicht weit sein …«
    »Vielleicht«, sage ich. »Wenn wir uns beeilen.«
    Sie spannen die Beine an, bereit zum Sprung aus dem Fenster, als ein Flüstern sie erstarren lässt.
    »Ihr seid an der Nase herumgeführt worden.« Ein feuchtes, finsteres Flüstern, brodelnd und bedrohlich.
    Es ist der Direktor.
    Er sieht uns nicht an, sondern bewundert nur den pastellfarbenen Glanz seiner Nägel im Mondlicht. Er spricht leise, als wäre es ihm gleichgültig, ob irgendjemand zuhört.
    »Einige von euch halten sich für besonders schlau«, schnurrt er. »Ihr glaubt, ihr lernt so schnell, dass ihr es besser wisst als die Fachleute hier. Ein paar Tage in meiner Einrichtung, und ihr denkt, ihr seid cleverer als die Spezialisten, die diesem großartigen Institut ihr ganzes Leben gewidmet haben. Habt ihr wirklich geglaubt, dass ein Institut unter meiner Leitung so achtlos wäre, ein Hepra frei und unkontrolliert auf dem Gelände herumlaufen zu lassen?«
    Nach einer Pause fährt er noch leiser fort. »Und habt ihr wirklich geglaubt, ein Hepra wäre so dumm, sich nach der Dämmerung außerhalb der schützenden Kuppel erwischen zu lassen?« Er lässt seine rechte Hand sinken. »Sie mögen Tiere sein, aber sie sind nicht dumm. Wie einige von euch hier.«
    Es ist totenstill. »Hier gibt es massenhaft Arroganz und Ignoranz. Komisch, wie häufig die beiden Hand in Hand gehen. Ihr dürft nicht vergessen, wer ihr seid. Ihr wurdet durch das Los ausgewählt – nicht wegen eurer Verdienste, besonderer

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