Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Jäger des Lichts (German Edition)

Die Jäger des Lichts (German Edition)

Titel: Die Jäger des Lichts (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Fukuda
Vom Netzwerk:
direkt gemeinsam am Lagerfeuer Marshmallows toasten und ›Kumbaya‹ singen, aber du weißt, was ich meine.«
    »Sie haben ihnen Kinder als Nahrung geschickt«, sage ich.
    Er senkt die Stimme. »Spar dir deinen moralisch überheblichen Ton, Bursche. Ich sage dir, was ich getan habe. Ich habe unsere Art erhalten. Ich bin der einzige Grund, warum wir noch nicht ausgestorben sind. Ich bin der Grund, warum du überhaupt existierst. An deiner Stelle würde ich den Mund nicht so weit aufreißen.«
    »All die Jungen, die Sie weggeschickt haben. All die älteren Mädchen …«, sagt Clair.
    Krugman wendet sich ihr mit zärtlichem, liebevollem Blick zu, seine Augen sind feucht. »Ich habe euch glückliche Jahre geschenkt. Das habe ich getan. Musik, Lächeln, Sonnenschein, Nahrung, Wärme. Ihr habt nicht die Tyrannei der Furcht gekannt, Einkerkerung in kalten feuchten Zellen, umgeben von Tod und Gewalt und den furchtbaren Geräuschen eines Schatters, der einen geliebten Menschen frisst. Ihr habt nie mit der Angst leben müssen, dass eure Nummer gezogen wird, dass eiserne Krallen eure Gliedmaßen packen und euch wegzerren. Stattdessen habt ihr, du und all die anderen Dorfkinder, in einem Paradies gelebt, in einem veritablen Garten Eden. Und wenn ich dafür ein paar Legenden und Geschichten über die Zivilisation erfindenmusste, na und? Ahnungslosigkeit ist ein Segen, und dieses Glück habe ich euch allen geschenkt.«
    »Sie haben ihnen nichts als ein Todesurteil geschenkt«, entgegne ich.
    »Bekommen wir das nicht alle?« Er fährt herum und starrt mich wütend an. »Sind wir nicht alle von der Sekunde unserer Geburt an zum Tode verurteilt? Sieh dich um, ich habe die Todeszelle lediglich erträglich gemacht. Nein, mehr als das. Ich habe sie zu einem glücklichen, idyllischen Ort mit Lachen, Gesang und Speisen gemacht. Sieh dir die Bilder auf den Regalen an. Erkennst du darin nicht kindliche Fantasie und verträumte Glückseligkeit?« Die Falten seines Gesichts zittern heftig. »Du und deine moralische Überheblichkeit. Du klingst genau wie der Forscher, als er zur Mission zurückkehrte. Er war einfach zu gut für diesen Ort.«
    »Gene«, drängt Sissy mich zum Gehen.
    »Deswegen gibt es hier so viele schwangere Mädchen«, flüstere ich, als die Wahrheit grauenhaft offensichtlich wird. »So überlebt die Mission. Sie … beliefert den Palast. Um weiterhin Nahrung, Medikamente und Vorräte zu erhalten, muss sie Nachschub …« Ich kann den Satz nicht beenden.
    » Quid pro quo «, flüstert Krugman. » Quid pro quo. «
    »Und die Jungen schicken Sie schon als Kleinkinder fort – warum?«
    Krugmans Augen werden schwarz.
    »Sie schicken sie weg, bevor sie zu einer körperlichen Bedrohung heranwachsen«, beantworte ich mir meine Frage selbst. »Stimmt’s? Weil Jungen hier keinen Platz haben.«
    Krugman starrt aus dem Fenster. »Keinen reproduktiven Platz.« Nach einer langen Pause fügt er mit einem gepressten Flüstern hinzu: »Darum kümmern sich die Älteren.« Er sieht mich nicht an, sondern starrt weiter in die Dunkelheit, die das Massaker im Dorf verhüllt.
    »Wie lange …?«, setze ich an.
    »Seit Jahrhunderten. Wir sind schon seit Jahrhunderten hier«, sagt er und schweigt dann lange. Ein Hauch von Reue huscht über seine Stirn, das Wiederaufleben eines seit vielen Jahren schlummernden Gewissens. »Und ja, es ist zu Missbildungen gekommen. Das passiert bei Inzucht über einen so langen Zeitraum, eine traurige, aber unvermeidliche Konsequenz. Die wir immer rasch entfernt haben. Aus den Augen, aus dem Sinn.«
    Mir läuft ein kalter Schauer den Rücken hinunter, als mir die Gestalt mit der Kapuze wieder einfällt, die mit einem neugeborenen Säugling in Richtung Immensarium gelaufen ist.
    Krugman gießt sich Whisky nach, der über den Rand des Glases auf seine Finger kleckert. »Spar dir diesen vorwurfsvollen Gesichtsausdruck. Du würdest das Gleiche tun. Du hast keine Ahnung, unter welchem Druck wir standen. Wenn wir unsere Quote nicht erfüllen«, sagt er und lässt die Mundwinkel hängen, »halten sie Nahrung und Vorräte zurück. Während einer besonders langen Dürreperiode habensie uns einmal eine Überraschung untergejubelt, um ein Exempel zu statuieren. Zwischen all den gelieferten Nahrungsmitteln war ein Apfel, in dem eine winzige, mit Schatter-Speichel kontaminierte Rasierklinge versteckt war. Eines der Mädchen hat sich angesteckt, als sie hineingebissen hat. Es hat sich verwandelt.« Er kichert. »Und wir

Weitere Kostenlose Bücher