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Die Jäger des Lichts (German Edition)

Die Jäger des Lichts (German Edition)

Titel: Die Jäger des Lichts (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Fukuda
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kleinen Schätzchen. Lasst euch nicht aufhalten. Verpasst meinetwegen nicht euren Schulbus.«
    Ich gehe zu Krugman und schlage ihm das Glas aus der Hand. Es fliegt quer durch den Raum und zerschellt an der Wand. Das Geräusch reißt ihn aus seiner Benommenheit, für einen Moment blitzt Klarheit in seinen Augen auf, bevor sie wieder glasig werden. Irgendwo unter uns an der Festungsmauer ertönt ein Schrei, erschreckend laut und nah.
    »Gene!«, sagt Sissy.
    Ich ignoriere sie. Ich muss es wissen. »Es ist der Palast des Herrschers, stimmt’s?«, rufe ich. »Der Zug führt bloß in die Hepra-Ställe, habe ich Recht?«
    Krugman fängt an zu kichern. »Gebt dem Jungen einen Keks, bitte. Gebt dem kleinen Detektiv ein Smiley.« Er wischt sich Tränen von der Wange. »Und das ist nur die Spitze des Eisbergs«, sagt er. »Du hältst dich für so schlau, du denkst, du hättest alles durchschaut. Willst du die Wahrheit hören?«
    Clair schreit auf. Ein Schatter, bleich leuchtend wie der Mond, kriecht über die Scheibe wie ein Blutegel. Mit geblähten Nüstern hält er direkt vor dem regungslosen Krugman inne und huscht dann davon. Eine schwarze Welle von Schattern ergießt sich über die Festungsmauer.
    Krugman wischt sich mit dem Handrücken die Nase ab. »Also die Wahrheit«, sagt er mit zitternder Stimme. »Ungeschminkt zu eurer Kenntnis. Wappnet euch, kleine Kinder.« Er wendet sich vom Fenster ab und sieht uns an. »Wir sindganz allein. Die Menschheit wurde schon vor Generationen ausgelöscht. Die Schatter haben die ganze Welt übernommen. Und wir haben sie nie zurückerobert. Wir haben kein Gegenmittel, keine Heilung und kein Gift gefunden. Wir haben nichts gefunden außer den Tod. Die Zivilisation hat nie existiert.«
    Sissy hört auf, an meinem Arm zu zerren, und dreht sich zögernd zu Krugman um.
    »Nachdem alles vorbei war, waren nur noch ein paar Tausend Menschen übrig. Wir fristeten ein grausames Leben in den Katakomben des Herrscherpalastes, eingesperrt und zwangsgemästet. Unser einziger Sinn bestand darin, für den Appetit des Herrschers zu leben und zu sterben. Und der war unersättlich. Er versuchte, sich zu mäßigen und zu beschränken, doch er konnte der Versuchung nicht widerstehen. Wir waren einfach zu nahe. Und so war es bei jedem Herrscher, der auf ihn folgte. Keiner hatte die nötige Selbstbeherrschung. Die gefangene menschliche Bevölkerung schwand in einem alarmierenden und nicht zu ersetzenden Maß.
    Eines Nachts vor vielen, vielen Generationen hatte der damals regierende Herrscher einen Geistesblitz, eine brillante Idee. Er kam zu uns und schlug einen Handel vor.«
    »Mit wem ?«
    »Mit uns. Den Menschen. Der Herrscher willigte ein, mehrere Hundert von uns freizulassen, um hier in den Bergen eine Kommune zu gründen. Hunderte von Meilen entfernt, eine Strecke, die Schatter nicht zurücklegen konnten, weil sie – selbst per Zug – dem Tageslicht ausgesetzt sein würden. Die Menschen waren einverstanden – als ob wir eine Wahl gehabt hätten – und brachen auf.
    Der Plan war natürlich streng geheim, nur die oberste Führungsschicht wusste davon. Von da an kümmerten sich jahrzehntelang Generationen von Herrschern um all unsere Bedürfnisse und Nöte. Aber ich schätze, irgendwann sickern alle Geheimnisse durch, vor allem dieses.«
    Er streicht über die Härchen auf seinem Muttermal. »In letzter Zeit hatten wir Gerüchte über einen Dissens zwischen verschiedenen Rängen des Palastes und über gewisse Gruppierungen gehört, die Wind von der Mission bekommen haben. Sogar davon, dass angeblich eine ganze Armada sonnengeschützter Boote gebaut würde. Aber wir haben diese Gerüchte in Bausch und Bogen abgetan.« Er starrt in den verdunkelten Himmel. »Das war ein Fehler. Wir haben uns einlullen lassen, uns fälschlicherweise zu sicher gefühlt. Sie haben ihren Teil der Abmachung immer eingehalten.«
    »Erzählen Sie mir von dieser Abmachung. Erzählen Sie mir alles«, sage ich.
    »Wir haben für sie gezüchtet«, flüstert Krugman. »Das ist der Zweck der Mission. Sie ist eine Zuchtfarm. Wir liefern dem Palast portionsweise Hepra, dosiert wie Tröpfchen einer Infusion. Wir sind so weit von ihnen entfernt, dass sie uns nicht in einer unkontrollierten Fressorgie auslöschen können. Dafür versorgen sie uns mit allem, was wir zum Überleben und, ja, zum Gedeihen brauchen. Nahrung, Medikamente, Vorräte. Quid pro quo . Es ist in vielerlei Hinsicht eine wunderbar symbiotische Beziehung. Nicht

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