Die Jäger des Lichts (German Edition)
und dann Schreie, die durch den Treppenschacht hallen.
»Hier entlang!«, sagt Clair, die weiß, dass wir keine andere Wahl haben, als ihr zu folgen. Sie biegt links in einen weiteren Korridor. Das Poltern unserer Stiefel eilt uns in den dunklen Schatten voraus. Hinter uns hört man ihre Krallen über den Boden klackern.
Clair öffnet eine Tür, und wir stürzen in einen Raum, der mir vage bekannt vorkommt. Clair schiebt Kartons und Kisten beiseite, öffnet eine weitere Tür und schiebt uns hindurch. Die Tür fällt zu, und ich höre, wie Clair sich in der totalen Dunkelheit an der Wand entlangtastet. Dann knackt es, und der Korridor wird von einem grünen Schimmer erleuchtet.
Hoch über uns an der Wand tauchen Hängegleiter aus dem Dunkel wie riesige Motten. Ben starrt sie mit großen Augen an.
Clair hat das Trainingsmodell für zwei schon in der Hand. Es ist überraschend leicht, sodass sie es mühelos tragen kann.
Etwas pocht an die Tür. Nägel kratzen von der anderen Seite über das Metall und brechen. Clair ignoriert die Geräusche und greift Ausrüstung, GlühBrenns und Handschuhe. Ein weiterer ohrenbetäubender Schlag hebt die Tür beinahe aus den Angeln.
»Wir brauchen noch zwei Gleiter!«, rufe ich. »Clair, wir …«
»Wir haben keine Zeit, die flugbereiten zu suchen! Die meisten sind kaputt und …«
Ein weiterer heftiger Schlag erschüttert die Tür.
»Die wird nicht mehr lange halten!«, brülle ich. »Wir müssen jetzt los! Sofort! «
»Lauft schon vor, ich hol euch ein!«, ruft Clair und nimmt Flugbrillen und Taschen. »Den Flur hinunter und durch die Tür!«
»Nein! Wir hauen jetzt ab!« Hinter uns rumpelt es erneut an der Tür, dann fallen Leiber dagegen wie prasselnder Regen. Das Metall ächzt.
»Clair!«, brülle ich. Und jetzt rennen wir alle den Flur hinunter, lassen Taschen und Ausrüstung fallen, doch das ist uns egal. Das Einzige, was zählt, ist der Hängegleiter.
Die Tür kracht auf, Schatter schießen in den Raum wie Schrotkörner aus einem Gewehr. Mit ohrenbetäubendem Geschrei stürzen sie über den Boden, die Wände und die Decke auf uns zu.
Clair reißt die Tür am Ende des Korridors auf, und wir werfen uns hindurch. Im Fallen trete ich die Tür hinter uns zu. Sissy ist schon auf den Beinen, um den Riegel vorzuschieben. Schatter prallen von der anderen Seite gegen die Tür und beulen sie mit Donnerschlägen aus. Blut rauscht in unseren Ohren, doch wir rennen weiter, eine Treppe hoch und durch eine weitere Tür.
Dann sind wir draußen, an der kühlen, süßen Luft. Ich starre auf die Festungsmauer – die Startbahn. Sie ist leer, kein Schatter in Sicht.
Aber nicht lange. Über die Wiesen streifende Schatter haben uns entdeckt.
Clair fängt an, mich in den Doppelhängegleiter zu schnallen.
»Nein, Clair. Ben fliegt zusammen mit Sissy.«
»Kommt nicht infrage«, antwortet Clair. »Es sollen du und Sissy sein!«
»Ich werde keine Zeit mit Diskussionen verschwenden!«, rufe ich, ziehe ihren Kopf nah an meinen und sehe ihr direkt in die Augen. »Ich bleibe. Ben und Sissy fliegen.«
»Ich sag euch, was Sissy tun wird«, sagt Sissy. »Sissy läuft zurück zum Zug. Ich lasse die Jungen nicht allein.«
Eine Welle von Schattern kreischt auf den Weiden.
»Gene muss fliegen! Der Forscher hat gesagt …«
Man hört ein metallisches Geräusch. Sissy hat einen Dolch gezückt und drückt die Spitze an Clairs Hals. »Schnall dich an.«
Clair erkennt, dass Widerstand zwecklos ist, und legt die Gurte an. Sissy beobachtet sie genau. Dann steckt sie den Dolch wieder in die Schneide und schnappt sich Ben.
»Sissy!«, ruft er.
»Ben«, sagt sie, schnallt ihn an und zieht den Reißverschluss seiner Jacke hoch. »Wir werden dich finden.« Sie hakt einen Karabiner ein. »Du bist in guten Händen: Clair fliegt dich ins Gelobte Land.«
»Verlass mich nicht«, sagt Ben mit zitternden Lippen. Tränen kullern über seine Wangen.
Ein Summen vibriert durch die gesamte Festungsmauer. »Los jetzt!«, rufe ich. »Sie sind fast hier!«
Sissy umarmt Ben hastig. Seine Tränen verschmieren auf ihren Wangen, als sie sich zurückzieht. »Los!«, ruft sie Clair zu.
Und dann laufen sie die Mauer bis zum Ende hinunter und werfen ihre Körper in eine Lücke. Sie tauchen aus dem Blickfeld ab und Sekunden später wieder auf. Der Hängegleiter steigt höher und kehrt dem Berg den Rücken. Ich sehe Bens Haare im Wind flattern, seine vor Angst steifen Arme. Clair hat die Steuerung fest im Griff, und
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