Die Jäger des Lichts (German Edition)
ächzen Bodendielen. Einer der Lakaien macht einen Schritt auf Sissy zu. »Zieh deine Kleider aus, alle. Wir müssen deine Haut untersuchen.«
Ich starre die Männer und dann wieder Krugman an. »Sagen Sie ihnen, sie sollen die Tür frei machen, Krugman.«
»Nein«, sagt er leise. Sein Blick zuckt widerlich zärtlich zu Sissy. »Wir haben Grund zu der Annahme, dass es sich bei dem Ursprung um eine Art typografischen Hinweis handeln könnte, der irgendwo auf eure Haut gedruckt ist. Zieh dich aus.«
»Auf keinen Fall«, sage ich, bevor Sissy antworten kann. »Wir gehen jetzt.«
»Ja, genau«, sagt einer der Lakaien leise knurrend. » Du gehst. Aber sie bleibt. Sie ist die Einzige, die wir noch durchsuchen müssen.« Ein blasses Lächeln erreicht seine Augen. »Die vier Jungen haben wir schon untersucht. Und dich haben wir überprüft, während du krank und ohne Bewusstsein warst. Du bist sauber.« Er blickt wieder zu Sissy und streckt den Arm aus.
»Fassen Sie mich nicht an!«, sagt sie.
Man hört nur noch das jetzt unerträglich laute Ticken der Standuhr.
»Seht ihr, das ist die Sache mit Mädchen, die männergroße Füße haben«, gurrt Krugman hinter uns. »Wenn ihre Füße nicht verschönert und die Fußdrüsen nicht zerstört werden, sondern sie männliche Hormone ab, die in den Organismus des Mädchens eindringen und sie von einer Prinzessin in einen starrsinnigen Ochsen verwandeln. Dann begreifen sie nicht, wo ihr Platz in der Gesellschaft ist, und sie glauben irrtümlich, sie könnten laufen wie ein Mann, reden wie ein Mann, Meinungen haben wie ein Mann. Und Nein zu einem Mann sagen. ›Wie ein goldener Ring in der Schnauze eines Schweins ist ein Mädchen mit großen Füßen.‹«
»Guck dir diese Riesenmännerfüße an!«, johlt einer der Lakaien. »Können wir überhaupt sicher sein, dass sie ein Mädchen ist?«
Es entsteht eine längere Pause, in der Gedanken brodeln, Möglichkeiten durchgespielt und Unbedachtheiten erwogen werden.
»Manchmal«, flüstert der Lakai, »darf man sich dessen nicht zu sicher sein.«
»Vielleicht sollten wir es überprüfen«, steigt der andere darauf ein. Er mustert Sissy aus eng zusammenliegenden Augen, sein Blick wandert an ihrem Körper hinunter. »Es gibt Möglichkeiten …«, er zieht die Mundwinkel zu einem auf dem Kopf stehenden Lächeln herunter, »… sich zu vergewissern, die Wahrheit zu enthüllen .«
Sie kommen zu zweit auf sie zu.
Ich gehe ohne jede Eleganz, jedoch mit der Kraft der Überzeugung dazwischen. Ich schubse die Männer zurück, die mit ihren fetten Hintern hart gegen die Tür prallen. Mit vor Wut puterroten Wangen holt einer von ihnen aus, doch Sissy springt ihm entgegen und rammt ihren Ellbogen gegen sein Brustbein. Er krümmt sich vor Schmerzen und spuckt Speichel und Flüche.
Ich weiß nicht, was als Nächstes geschehen wäre, wenn Krugman nicht angefangen hätte zu lachen. Und nicht nur irgendein Lachen, sondern ein brüllendes Gelächter, das seine Wampe beben und unseren Brustkorb erzittern lässt. Erst als er in seinen Bürostuhl sinkt, wird aus dem Lachanfall ein leises Grollen in der Magengrube.
»Kinder, Kinder«, brummt er. »Ich sagte quid pro quo , nicht tête-à-tête .« Er lacht über seinen improvisierten Witz. »Keine privaten Unterhaltungen mehr, okay?« Er strahlt übers ganze Gesicht. »Die Teestunde ist vorbei.«
Sissys Handrücken berührt meinen, unsere Haut gleitet übereinander, bis wir uns an den Händen halten, die kalten Handflächen perfekt ineinandergeschmiegt.
Krugman lächelt, sein Backenbart hebt und bauscht sich, als ob sich ein paar Mäuse darin verbergen würden. »Nun kommt«, sagt er schließlich und hakt die Daumen hinter den Gürtel. »Das ist es nicht, wofür die Mission steht. Hier geht es um Sonnenschein, Lächeln und glückliche Gesichter.«
»Da hätten Sie mich beinahe getäuscht«, sagt Sissy leise.
»Du keifende kleine Hexe!«, brüllt einer der Älteren. »Du aufsässige Schlampe, wir sollten dich verfüttern an die …!«
»Das reicht«, geht Krugman dazwischen. Seine Stimme ist leise, seine Augen funkeln noch immer belustigt, doch ihre Feuchtigkeit scheint jetzt säurehaltig. »Ich fürchte, das Ganze ist meine Schuld. Ich habe vergessen, wie müde und gereizt ihr nach allem, was ihr durchgemacht habt, sein müsst. Bitte, verzeiht meinen Fehler.« Das Lächeln in seinem Gesicht wird breiter. »Wollen wir das Vergangene ruhen lassen und nicht weiter davon sprechen? Vergeben und
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