Die Jäger des Lichts (German Edition)
vergessen?«
Ich nicke. Misstrauisch. »Wir würden jetzt gern gehen.« Er macht den Älteren ein Zeichen, die Tür freizugeben. Als wir zwischen den beiden hindurchgehen wie durch ein geteiltes Meer aus Speck, murmelt Krugman etwas.
»Was war das?«, fragt Sissy.
»Nichts«, nuschelt er.
Auf dem Rückweg gehen wir an Gruppen lächelnder Mädchen mit perfekten weißen Zähnen vorbei, die uns auf dem gepflasterten Pfad Platz machen. Am Himmel sind schwarze Wolken aufgezogen, schroff und unheilvoll. Nur Minuten später prasseln kalte Regentropfen in schrägen Bändern zu Boden. Sissy und ich laufen rasch nebeneinander, ohne unsere Hände wieder loszulassen, eine kleine warme Höhle in der triefnassen Kälte. Ich sage ihr nicht, was Krugman bei unserem Abschied gemurmelt hat. Vor allem weil ich nicht weiß, was ich davon halten soll und ob es wirklich die verschleierte Drohung war, die ich herausgehört habe. »Alles Gute«, hat er geflüstert, als wir gegangen sind, »kommt zu denen, die warten.«
24
Bis wir bei meiner Hütte ankommen, sind wir völlig durchgeweicht. Sissy nimmt meinen Ranzen vom Sofa und kippt den Inhalt aufs Bett. Essensreste, Epaps Skizzenblock, das Notizbuch des Forschers und anderer Kleinkram fällt auf die Decke.
»Siehst du irgendwas, das der Ursprung sein könnte?«, fragt sie.
»Ich bin sicher, sie haben die Taschen schon durchsucht«, sage ich. »Und außerdem glauben sie doch, der Ursprung wäre eine Tätowierung auf unserer Haut, irgendwelche Schriftzeichen oder so.«
Sissy nimmt das Notizbuch des Forschers, blättert es durch und wirft es frustriert zurück aufs Bett. Ich gehe zum Kamin und versuche mit zitternden Fingern, ein Feuer in Gang zu kriegen.
»G-guck mal«, sagt Sissy mit klappernden Zähnen und zeigt auf den Couchtisch, auf dem ein Tablett mit Essen abgestellt wurde. Dampf steigt aus den getöpferten Schüsselnauf, also wurde es wohl erst vor Kurzem gebracht. »Du hast dein eigenes Zimmer mit Kamin und heißer Dusche und auch noch Zimmerservice?«
Das Brot auf dem Tablett ist ebenfalls noch warm. »Hör mal, warum isst du nicht ein bisschen was?«, schlage ich vor. »Es könnte noch eine Weile dauern, bis das Feuer brennt. Die Suppe wärmt dich bestimmt auf.«
Mit einem Nicken setzt sie sich aufs Sofa und schlürft ihre Suppe. Dann verzieht sie plötzlich die Nase.
»Stimmt irgendwas nicht?«, frage ich.
Sie schüttelt den Kopf. »Nur echt salzig. Aber gut. Und heiß.«
Ich nehme ein paar Äste, die neben dem Kamin gestapelt liegen, doch das Schürholz ist ein wenig feucht, und ich habe meine liebe Mühe, das Feuer in Gang zu bringen. Sissy schlürft die letzten Tropfen ihrer Suppe, zittert jedoch immer noch.
»Geh heiß duschen. Dann wird dir auf jeden Fall warm.«
Sie friert zu sehr, um mir zu widersprechen. Ich gebe ihr einen Satz Kleidung aus der Kommode. »Die sind dir wahrscheinlich zu groß, aber lieber trocken und weit als feucht und kalt.«
Sie schließt die Badezimmertür, und ich nutze die Gelegenheit, mir selbst trockene Klamotten anzuziehen. Ein paar Minuten später brennt auch ein munter prasselndes Feuer, und ich setze mich aufs Sofa und schmiege meine kalten Knochen in das weiche Polster. Der Widerschein derFlammen tanzt an den Wänden und verwandelt sie in einen Feuersturm aus Rot und Orange. Aus dem Bad höre ich ein leises Plätschern.
Trotz des Feuers und der trockenen Kleidung ist mir immer noch kalt. Ich hole die Bettdecke, breite sie über meine Beine und starre ins Feuer. Die züngelnden Flammen sind wie ein Abbild meiner orientierungslos schweifenden Gedanken. Ich esse ein wenig Suppe, doch die ist mittlerweile nur noch lauwarm und wirklich völlig versalzen. Nachdem ich die Hälfte gegessen habe, stelle ich die Schale wieder ab und starre aus dem Fenster.
Dunkelheit hat sich über das Dorf gesenkt, sie lässt die Rauchfahnen aus den Schornsteinen verschwimmen und die Strohdächer verschwinden. Wenig später hat sie auch die gewundenen Wege vor der Hüttentür verschluckt. Hin und wieder hört man den Wind durch das Dorf pfeifen, gedämpft durch die dicken Wolken, die sich verborgen am schwarzen Himmel ballen.
Meine Gedanken kreisen um das, was Krugman uns erzählt hat, und eine andere – unheilvollere – Kälte kriecht mir in die Knochen.
Sissy kommt zurück, bleibt eine Weile vor den Kamin stehen und fährt sich mit den Fingern durch ihr feuchtes Haar. Der Widerschein des Feuers vergoldet die Strähnen und lässt sie
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