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Die Jäger des Lichts (German Edition)

Die Jäger des Lichts (German Edition)

Titel: Die Jäger des Lichts (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Fukuda
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einmal alle vierzehn Tage«, sagt Krugman, »treffen unsere Vorräte ein. Mit dem Zug. Nahrung, Möbel, Pflanzen, Medikamente. Das wolltet ihr doch wissen, oder? Es kommt alles per Zug. Wir lassen die beiden Hälften der Brücke herunter, der Zug fährt darüber, wir entladen ihn am Bahnhof. Dann schicken wir den Zug zurück. Er braucht in jede Richtung etwa vier Tage, der Rückweg in die Zivilisation geht bergab ein bisschen schneller. Der Zug fliegt förmlich. Und alles geht automatisch. Es ist wirklich ein Wunderwerk der Technik: Man muss nur auf ein paar Knöpfe drücken, und ab geht’s. Die Brücke wird heruntergelassen, und der Zug verschwindet den Berg hinunter. Die Türen bleiben verschlossen, bis er sein Ziel erreicht, sei es die Mission oder die Zivilisation. In der Regel schicken wir den Zug mit einer Liste von Vorräten zurück, die wir über die üblichen Anforderungen hinaus brauchen. Und zu besonderen Anlässen bricht der Zug von hier aus auch manchmal mit einem Passagier auf. Oder mit zweien.«
    Sissy und ich sehen ihn an.
    Er nickt, und seine Augen leuchten matt. »Diejenigen, diein der Mission guten und lobenswerten Dienst geleistet haben, erwartet eine Belohnung in Form einer ehrenhaften Entlassung. Die wenigen Auserwählten dürfen mit dem Zug zurück in die Zivilisation fahren, wo sie von der Regierung einen opulenten Sold erhalten, der für den Rest ihres Lebens reicht. Aber das muss man sich verdienen.«
    »Mit Verdienstzeichen«, sage ich, als ich es begreife.
    Krugman nickt milde überrascht und fast ein wenig respektvoll. »Dir entgeht wirklich kaum etwas. Ja, die Verdienstzeichen. Mit fünf Verdienstzeichen hat man sich das Ticket zurück in die Zivilisation verdient. Dafür muss man wohlgemerkt in der Regel mindestens zehn Jahre in der Mission arbeiten.«
    »Und wie bekommt man ein Verdienstzeichen?«, frage ich.
    »Oh, da gibt es viele Möglichkeiten. Unerschütterliches Befolgen der Statuten, Liebe zur Ältestenschaft und Bürgerschaft der Mission, das Gebären eines gesunden Kindes. Erwiesene Sorgfalt bei der Verrichtung der täglichen Pflichten in zehnjährigem Dienst. Und dergleichen.«
    »Und was ist mit den Schuldmalen?«, frage ich. »Wie kriegt man die?«
    Es wird still im Raum. »Ah ja, die Schuldmale. Ganz einfach, für einen Verstoß gegen die Statuten erhält man ein Schuldmal. Oder zwei. Das kommt auf die Schwere des Vergehens an. Aber darum geht es doch hier bei uns in der Mission gar nicht. Wir konzentrieren uns viel lieber auf das Positive, die Verdienstzeichen …«
    »Lassen Sie mich raten«, sage ich und denke an die Mädchen mit den Brandmalen und Tätowierungen auf den Armen. »Ein Schuldmal wird von der Summe der Verdienstzeichen abgezogen. Eine Brandnarbe hebt ein Smiley auf. Dadurch wird es ungleich schwieriger, fünf zu erreichen.« Und was passiert, wenn man fünf Schuldmale hat? , will ich Krugman fragen, doch er unterbricht meinen Gedanken.
    »Es wird abgezogen, ja. Aber wir sehen das hier in der Mission lieber als Addition durch Subtraktion . Das hält die Moral hoch und spornt die Bürger an.« Krugman lächelt, legt seine Hände auf meine Schultern und drückt sie beruhigend. »Ich verstehe, worum es geht. Du machst dir Sorgen um« – er weist mit dem Kinn auf Sissy – »dein Mädchen und ihre zahlreichen Verstöße. Mach dir keine Gedanken. Wir werden es ihr nicht nachtragen. Im Grunde müsst ihr euch gar nicht um Schuldmale und Verdienstzeichen kümmern. Ihr seid alle für eine Blitzbeförderung auserkoren worden. Ihr müsst nicht warten, keine zehn Jahre, nicht mal ein Jahr, keinen Monat oder auch nur zwei Wochen. Seht ihr, am Abend soll planmäßig ein Zug ankommen. Wir werden mehrere Stunden brauchen, um die Vorräte zu entladen. Und wenn alles gut geht, werdet ihr sechs morgen Vormittag in diesen Zug steigen und die Reise in die Zivilisation antreten. In eure wohlverdiente Oase.«
    Sissy legt ihre Finger ans Fenster und presst die Handfläche gegen die Scheibe. Sie schüttelt den Kopf. »Sorry, aber das kommt alles ein bisschen plötzlich.«
    »Das verstehe ich.«
    Eine Minute lang starren wir auf die Brücke und versuchen, all diese Informationen, die die Grundfesten unseres bisherigen Wissens erschüttern, zu verdauen. »Warum haben Sie entschieden, dass wir blitzbefördert werden?«, fragt Sissy dann.
    Krugman lacht und wirft den anderen Älteren einen wissenden Blick zu. »Als ob ich dabei etwas zu sagen hätte!« Er zieht eine

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