Die Jaegerin
sich heran. Alexandra versuchte sich zu befreien, doch sein Griff war unerbittlich. Er war ihr jetzt so nah, dass sie, wäre er lebendig, seinen Atem auf ihrem Gesicht gespürt hätte. Einmal mehr griff sein Blick nach ihr. »Ich möchte Sie vor Schaden bewahren«, sagte er bestimmt. »Deshalb bleibe ich in Ihrer Nähe!«
Warum, zum Teufel, tat er das? Warum konnte er sich nicht benehmen wie jeder andere Vampyr? Dann würde es ihr leichter fallen, ihn zu hassen!
»Wann immer ich in meinem Leben Schaden erlitten habe«, gab sie zischend zurück, »waren Kreaturen wie Sie schuld daran.«
Eine Ohrfeige hätte kaum mehr Wirkung zeigen können. Schlagartig gab er ihren Arm frei und trat einen Schritt zurück. »Passen Sie auf sich auf.« Dann wandte er sich ab und ging. Nach wenigen Schritten war er mit den Schatten verschmolzen und bald spürte sie seine Anwesenheit nicht mehr.
Alexandra stand noch immer da und blickte in die Richtung, in die er verschwunden war. Wollte er ihr wirklich nur helfen oder verfolgte er andere Pläne, von denen sie noch nichts wusste? Sie wurde einfach nicht schlau aus ihm. Er benahm sich, als hätte sie seine Gefühle verletzt. Dazu hatte er kein Recht! Sie hatte ihn weder um seinen Schutz noch um seine Gegenwart gebeten. Sie brauchte keinen Beschützer! Schon gar keinen Vampyr!
*
Als Alexandra endlich die Pension erreichte, in der sie sich vor einigen Tagen mit den Jägern eingemietet hatte, war sie vollkommen durchgefroren. Erleichtert, Wind und Regen zu entkommen, betrat sie die warme Schankstube. Im Kamin prasselte ein heimeliges Feuer. Ein Wirrwarr verschiedener Stimmen erfüllte den Raum mit Leben und bildete einen Kontrast zu der Stille, die draußen herrschte. Der Geruch frischen Eintopfs stieg ihr in die Nase und erinnerte sie daran, wie hungrig sie war. Ehe sie in die Clyde Street zurückkehrte, würde sie ein Mahl zu sich nehmen. Jetzt jedoch hatte sie erst etwas anderes zu erledigen.
Ihr Blick erforschte den Raum, wanderte von Tisch zu Tisch auf der Suche nach den Jägern. Hier unten waren sie nicht. Was, wenn ich sie schon wieder nicht antreffe? Womöglich suchten sie bereits nach ihr. Wenn sie allerdings daran dachte, wie sich Vladimir in der letzten Zeit ihr gegenüber verhalten hatte, hielt sie es für wahrscheinlicher, dass die Männer einfach nur auf der Jagd waren. So oder so konnte sie sich nur wünschen, dass Catherine ihnen nicht begegnen würde. In der Hoffnung, dass ihr das Glück diesmal gewogen sein würde, verließ sie die Schankstube durch eine Tür im hinteren Bereich und ging zur Treppe. Hier brannten lediglich vereinzelte Lampen, die den Gästen den Weg in ihre Kammern weisen sollten. Nach der Helligkeit in der Stube hatten Alexandras Augen Mühe, sich an das Zwielicht zu gewöhnen. Mit jeder Stufe, die sie weiter nach oben gelangte, verklangen die Stimmen unter ihr, bis nicht mehr als ein stetes Rauschen blieb. Auf dem oberen Treppenabsatz angekommen blickte sie zur ersten Tür. Vladimirs Kammer. Unter dem Türspalt fiel ein dünner Streifen Licht auf den Gang. Gedämpfte Stimmen drangen an ihr Ohr. Alexandra stieß einen erleichterten Seufzer aus. Sie klopfte kurz an, dann öffnete sie die Tür. Die drei saßen um einen Tisch herum. Als sie eintrat, hefteten sich die Augen der Jäger auf sie.
»Alexandra!« Gavril sprang auf. »Gott sei Dank!«
Vladimir legte ihm eine Hand auf die Schulter und drückte ihn auf den Stuhl zurück. Dann erhob er sich selbst. Er bewegte sich so schnell, dass Alexandra erst reagieren konnte, als er unmittelbar vor ihr stand. Unwillkürlich wich sie einen Schritt zurück. Vladimir folgte ihrer Bewegung.
»Wo, zum Teufel, hast du die ganze Zeit gesteckt?«, fuhr er sie an. Er langte über sie hinweg und stieß die Tür zu. »Habe ich mich nicht klar ausgedrückt, dass du in deiner Kammer bleiben sollst?«
»Wenn ihr einmal auf mich gewartet hättet, statt ständig ohne mich loszuziehen, hätte ich dir sagen können, was passiert ist und warum ich ganz bestimmt nicht dort auf euch warten würde! Du solltest –«
Vladimirs Hand schoss vor. Er packte sie und stieß sie gegen die Wand. Seine Augen glühten vor Zorn. Durch den struppigen Vollbart wirkte er wie ein wildes Tier. » Du sagst mir nicht, was ich zu tun habe!«, herrschte er, ohne sie loszulassen. »Ich bin noch immer der Anführer!«
Hinter ihm sprang Gavril auf.
»Vladimir!«, warnte Mihail, ohne sich zu rühren. »Hör auf!«
Statt sie freizugeben,
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