Die Jaegerin
schüttelte Vladimir sie so heftig, dass sie mit dem Kopf gegen die Wand schlug. Für einen Moment verschwamm ihre Sicht. Dann blaffte er: »Ich will nicht noch einmal erleben, dass du dich meinen Anweisungen widersetzt!«
Alexandra versuchte sich aus seinem Griff zu befreien, doch Vladimirs Finger gruben sich so gnadenlos in ihre Oberarme, dass sie sich kaum bewegen konnte.
»Lass sie los, Vladimir«, verlangte Mihail, der sich noch immer nicht von seinem Platz bewegt hatte. »Gib ihr die Gelegenheit, sich zu erklären.«
Mit einem Ruck gab Vladimir sie frei und kehrte zu seinem Stuhl zurück. Plötzlich stand Gavril vor ihr. Die Sorge in seinen Zügen war beinahe schwerer zu ertragen als Vladimirs Zorn. Von den Jägern war er der einzige, den sie tatsächlich mochte. Dennoch konnte sie ihm nicht mehr als ihre Sympathie geben. Welche Hoffnungen Gavril sich auch immer machte, Alexandra würde sie enttäuschen. »Geht es dir gut?«, fragte er leise.
Alexandra nickte.
»Komm«, er nahm sie beim Arm und schob sie zu seinem Stuhl. »Setz dich!« Als sie seiner Aufforderung folgte, blieb er an ihrer Seite stehen. Für einen Moment ruhte seine Hand auf ihrer Schulter, ehe er sie zurückzog.
Vladimir lehnte sich in seinem Stuhl zurück und durchbohrte sie mit seinem Blick. »Was also, glaubst du, könnte wichtiger sein, als dich an meine Anweisungen zu halten?«
Auch Mihails Augen richteten sich auf sie. »Wir haben uns wirklich Sorgen gemacht«, versuchte er Vladimirs Zorn herunterzuspielen. Es mochte sogar sein, dass das auf ihn und Gavril zutraf. Nicht jedoch auf Vladimir. Ihm ging es um etwas anderes. Ausgerechnet Alexandra, die in seinen Augen seinem Bruder das Herz gebrochen hatte, untergrub seine Autorität als Anführer. Das würde er sich nicht gefallen lassen. Nicht von ihr!
Als sie noch immer nicht antwortete, beugte sich Gavril ein Stück nach vorne und sah sie an. »Alexandra?«
Sie holte tief Luft. »Ich habe den Unendlichen gefunden.« Atemlose Stille folgte ihren Worten. Mihail und Vladimir wechselten einen Blick, als wollten sie sich gegenseitig fragen, ob sie die Wahrheit sprach. Alexandra fuhr fort: »Er hält sich mit einer Vampyrin und seinen menschlichen Handlangern im Lauriston House, einem Anwesen unweit von Edinburgh, auf.« Stück für Stück beschrieb sie, was sie in jener Nacht, als sie Daeron gefolgt war, dort gesehen hatte. Von Daeron, Catherine und Lucian sagte sie zunächst nichts. Sie gab lediglich ihr Wissen über den Unendlichen, die Ushana und das Gelände um Lauriston House preis. Als sie schließlich endete, herrschte erneut Schweigen.
»Das war nur eine einzige Nacht«, sagte Mihail nach einer Weile. »Warum bist du danach nicht zu uns gekommen?«
»Ich hatte ein paar Schwierigkeiten mit den Handlangern des Unendlichen.«
Vladimir schlug mit der flachen Hand auf den Tisch. »Lasst uns keine Zeit mehr verschwenden! Holen wir ihn uns!« Er wollte aufstehen.
»Nein!«, rief Alexandra. »Das geht nicht. Ihr habt noch nicht alles gehört!«
Vladimir setzte sich wieder. Mit einer Geste forderte er sie auf fortzufahren.
»Der Unendliche ist nicht mit normalen Waffen zu vernichten. Eine Silberkugel kann ihm nichts anhaben. Es gibt jedoch einen Gegenstand, der das vermag.« Als sie vom Schwarzen Kreuz berichtete, war sie froh, dass sie noch nicht wusste, wo es sich befand. Die Jäger sollten lediglich wissen, dass es eines besonderen Artefakts bedurfte, um dem Unendlichen zu schaden. Um alles andere wollte sie sich zusammen mit Catherine und Daeron kümmern. Zu ihrem Erstaunen behagte ihr der Gedanke an eine Zusammenarbeit mit den beiden Vampyren plötzlich weit mehr als die Vorstellung, sich mit den Jägern auf die Suche nach dem Kreuz zu begeben. »Wir wissen, was für ein Gegenstand es ist, doch wir wissen noch nicht, wo er ist«, behauptete sie.
Mihail runzelte die Stirn. »Wir?«
»Ich bin zwei Vampyren begegnet, die es sich zum Ziel gesetzt haben, den Unendlichen zu vernichten. Sie –«
Plötzlich sprang Vladimir auf und riss sie vom Stuhl. »Bist du wahnsinnig?«, brüllte er, die Miene zu einer Fratze des Zorns verzerrt. »Du verbündest dich mit dem Feind!« Er stieß sie so hart von sich, dass sie auf die Knie fiel. »Wie kannst du unsere Sache derart verraten? Hast du vergessen, was diese Kreaturen deiner Familie angetan haben? Ist das deine Art, Viktors Andenken zu bewahren?« Als er nach ihr schlagen wollte, packte Mihail ihn beim Arm und zog ihn von ihr fort.
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