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Die Jagd am Nil

Die Jagd am Nil

Titel: Die Jagd am Nil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Adams
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bei dem
Buch der Toten
. Dann besteht die Aufgabe lediglich darin, die Fragmente zu übersetzen und zu schauen, an welche Stelle sie passen. Wenn es aber ein originales Dokument ist – sagen wir ein Brief   –, dann müssen wir nach anderen Hinweisen suchen. Das könnte eine Textzeile sein, die über mehrere Fragmente verläuft. Wenn wir sehr viel Glück haben, finden wir mehrere zusammenpassende Zeilen. Normalerweise aber müssen wir nach ähnlichen Themen suchen. Vielleicht finden wir zwei Fragmente über Bestattungsrituale. Oder zwei Episoden über eine bestimmte Person. Wenn wir damit nicht weiterkommen, halten wir uns an die Beschädigungen, die Fragmente ja naturgemäß aufweisen. Hat die Beschädigung ein
Muster
? Stellen Sie sich vor, Sie rollen ein Blatt Papier zusammen und brennen mit einer Zigarette ein Loch durch alle Schichten und zerreißen es dann. Die Brandlöcher würden uns nicht nur dabei helfen, die Rolle wieder zusammenzusetzen, wir wüssten durch den allmählich abnehmendenAbstand zwischen den Löchern auch, wie fest das Papier einmal zusammengerollt war. Außerdem kratzten die Schreiber häufig Linien auf das Pergament, um beim Schreiben in der Waage zu bleiben. Dann können wir die Linien und ihre winzigen Veränderungen in den Abständen auf den einzelnen Fragmenten vergleichen wie Jahresringe bei Bäumen.»
    «Und bei den
talalat
gibt es ähnliche Hinweise, richtig?»
    «Ja», antwortete Gaille. «Obwohl es bei ihnen schwieriger ist.
Talatat
sind zum Beispiel entweder aus Kalkstein oder aus Sandstein hergestellt worden. Wie Sie sich denken können, wurden
talalat
aus Kalkstein in Bauwerken benutzt, die in Kalksteinfelsen getrieben wurden, für Sandsteinfelsen hingegen verwendete man
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aus Sandstein. Zudem ist die Beschaffenheit eines Steins wichtig, weil Mauern häufig mit Steinen aus einem Steinbruch errichtet wurden. Aber man kann sich nicht völlig darauf verlassen. Farbrückstände können hilfreich sein, genauso Witterungsschäden. Vielleicht sind die Steine von der Sonne ausgebleicht worden. Oder es gab in der Nähe ein undichtes Rohr, sodass sie übereinstimmende Wasserflecken aufweisen. Wenn wir sie vorsortiert haben, versuchen wir jedenfalls die Szenen wieder zusammenzusetzen.
Talatat
wurden entweder auf der Längsseite verziert, das sind die sogenannten ‹Läufersteine›, oder auf der Querseite, das sind die ‹Schlusssteine›. Ägypter vermauerten Läufersteine und Schlusssteine für gewöhnlich im Wechsel. Das macht die Sache etwas einfacher. Entsprechend geht es im Grunde darum, die dargestellten Figuren zusammenzusetzen und zum Beispiel für einen Torso den passenden Kopf zu finden. Glücklicherweise sind viele Wandgemälde Duplikate von anderen, manchmal sogar von solchen, die bereits anhand andernorts gefundener
talalat
rekonstruiert worden sind, sodass wir wissen, wonach wir suchen müssen.»
    Lily spitzte die Ohren. «Aber nicht alle?», fragte sie scharfsinnig.
    «Nein», gab Gaille zu. «Nicht alle.»
    «Sie haben hier etwas entdeckt, nicht wahr? Deswegen haben Sie mich hergebracht.»
    «Vielleicht.»
    «Und? Wollen Sie es mir erzählen?»
    «Ach», sagte Gaille und senkte den Blick. «Ich glaube, das Vergnügen hätte Fatima gerne selbst.»

II
    Knox nahm eines der geschrumpften Ohren. An der Schnittfläche glänzte das Gewebe leicht, anscheinend war es erst kürzlich abgetrennt worden. Als er in den
loculi
nachschaute, entdeckte er eine Mumie, der das rechte Ohr fehlte, dann eine weitere. Er überlegte, was das zu bedeuten hatte, ehe ihm einfiel, dass er nicht alle Zeit der Welt hatte. Seine selbstgesetzte Frist war bereits abgelaufen. Er musste raus.
    Er eilte ins Atrium zurück und die Stufen hinauf und wollte gerade davonlaufen, als er einen Motor hörte. Der Pick-up kehrte zurück, seine Scheinwerfer strichen wie ein Leuchtfeuer über die Öffnung des Schachts. Knox konnte sich gerade noch wegducken und stieg wieder nach unten ins Atrium.
    Da Griffin und sein Team alles in den Katakomben lagerten, lief er dieses Mal in den Gang auf der rechten Seite. Bald erreichte er eine weitere Kammer mit einem riesigen Mosaik auf dem Boden. Es war zwar zerfurcht, aber so hell, dass es erst vor kurzem gesäubert worden sein musste. Eine groteske Figur saß im Lotussitz inmitten eines siebenzackigen Sterns, der von griechischen Buchstaben umgebenwar. Knox machte zwei Fotos von dem Mosaik, dann hörte er aus dem Gang ein Stöhnen. Jemand mühte sich mit einer Kiste ab

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