Die Jagd am Nil
ihm klar, wie er aufgespürt worden war. «Und Sie sprechen Französisch, richtig?»
Farooq grinste gerissen. «Ich komme zurecht», räumte er ein. «Wie lange leben Sie schon in Ägypten?»
«Zehn Jahre.»
«Dürfte ich Ihre Papiere sehen?»
«Habe ich nicht dabei.»
«Wenn Sie seit zehn Jahren hier leben, sollten Sie wissen, dass man jederzeit seine Papiere bei sich haben muss.»
«Ich kann sie holen, wenn Sie wollen.»
Farooq klopfte mit seinem Stift auf den Block und überlegte, wie er am besten beginnen sollte. «Eines würde ich gerne wissen, Mister Knox», sagte er. «Sie hatten gestern Nacht einen schlimmen Autounfall. Sie waren bewusstlos. Sie wurden ins Krankenhausgebracht, ohne Zweifel der beste Ort für einen Menschen, der einen schlimmen Unfall gehabt hat. Trotzdem sind Sie davongelaufen. Warum?»
«Ich bin nicht versichert. So ein Krankenhausaufenthalt kostet ein Vermögen.»
«Letzte Nacht ist ein Mann gestorben, Mister Knox. Finden Sie das lustig?»
«Nein.»
«Dann frage ich erneut: Warum sind Sie davongelaufen?»
Knox zögerte. Die Wahrheit würde unglaubwürdig klingen, aber vielleicht war es einen Versuch wert. «Ein Mann kam in mein Zimmer», sagte er. «Er hat versucht, mich zu töten.»
«Während einer meiner Beamten vor der Tür postiert war?»
«Er hat mir ein Kissen aufs Gesicht gedrückt.»
«Das soll ich Ihnen glauben? Halten Sie mich für einen Idioten?»
«Warum hätte ich sonst weglaufen sollen?»
Farooq klopfte wieder mit seinem Stift auf den Block. «Beschreiben Sie mir diesen Mann.»
«Es war dunkel. Ich hatte eine Gehirnerschütterung.»
«Warum haben Sie nicht um Hilfe gerufen?»
«Habe ich versucht. Aber meine Stimme war weg. Ich habe den Tropfständer umgerissen. Mehr habe ich nicht geschafft. Ihr Beamter kam ins Zimmer gelaufen. Er hat einen Krankenpfleger gerufen. Der hat den Ständer wieder aufgerichtet. Ich habe versucht, ihm zu erzählen, was …» Er deutete hilflos auf seinen Hals. «Fragen Sie Ihren Beamten, wenn Sie mir nicht glauben.»
Farooq starrte Knox finster an und versuchte, ihn dadurch einzuschüchtern, aber Knox wich seinem Blick nicht aus. «Warten Sie hier», sagte Farooq schließlich und stand auf. «Ich bin gleich zurück.»
III
Die Angst nagte an Gaille wie ein Magengeschwür, als sie Khaled und seine Männer beobachtete. Sie hatte in Khaleds Augen gesehen, dass er zu einem Mord fähig war. Sie hatte keinen Zweifel daran, dass er sie alle ohne Skrupel umgebracht hätte, wenn Staffords Telefon nicht geklingelt hätte. Und sie wusste genau, dass ihr Leben allein von seinem Willen abhing.
Nasser und Abdullah rissen Baumwolltücher in Streifen, die sie sich um die Köpfe wickelten, nur mit schmalen Schlitzen für Augen und Nase. Sie sahen anonym, aber zugleich beängstigend aus. Faisal packte eine unbespielte DVD aus und schob sie in Lilys Kamera. Khaled hatte seine Botschaft fertig geschrieben und kam herüber. «Hinknien!», brüllte er. Die drei knieten sich gefügig auf die staubige Decke. Khaled streckte Gaille seinen Text hin. «Lesen!», befahl er.
Sie schaute auf sein arabisches Gekritzel und sah ihn alarmiert an. «Ich verstehe nicht.»
Khaled richtete seine Walther auf ihr Gesicht. «Lesen!»
«Tun Sie es nicht», sagte Stafford.
Khaled schlug Stafford die Walther so heftig gegen die Wange, dass er aufschrie und auf die Seite fiel. Khaled zielte auf ihn, schaute aber Gaille an. «Sie sollen lesen», befahl er erneut.
«Ja», willigte sie ein. Vor lauter Angst fühlte sie sich schwach. Khaled trat mit verschränkten Armen hinter Faisal, als wäre er der Regisseur eines billigen Streifens, während sich Nasser und Abdullah mit maskierten Gesichtern neben ihnen aufbauten und ihre Waffen quer vor der Brust hielten. Stafford rappelte sich wieder auf, ihm waren die Tränen gekommen und von seiner Wange tropfte Blut. Khaled tippte Faisal auf die Schulter. Die Betriebslampeder Kamera leuchtete auf. Mit einem Nicken forderte Khaled Gaille zum Lesen auf. Es war ihre Chance, mit der Welt draußen zu kommunizieren. Eine zweite würde sie nicht bekommen. Sie richtete ihren Oberkörper auf, winkelte ihre Beine an und straffte die Schultern. Dann schob sie den Zettel in die linke Hand und hob zur Betonung die rechte in die Höhe. «Wir sind Gefangene der islamischen Bruderschaft von Assiut», begann sie. «Unsere Entführer behandeln uns gut. Sie versprechen, uns weiterhin gut zu behandeln, es sei denn, man versucht, uns zu finden.
Weitere Kostenlose Bücher