Die Jagd am Nil
Fremden an. Das Grabmal war ihm wie ein Geschenk Allahs erschienen. Doch jetzt erkannte er, was es wirklich war. Eine teuflische Falle. Fünf Jahre Gefängnis, wenn sie gefasst wurden. Mindestens fünf Jahre. Eher zehn oder sogar mehr. Und Khaled hatte gesehen, wie es in ägyptischen Gefängnissen zuging.Es waren überfüllte, schmutzige Orte, voller Krankheiten und Brutalität. Er war kein Schwächling, aber diese Aussicht behagte ihm nicht.
«Warum bringen wir sie nicht einfach um, Sir?», fragte Nasser, der schon immer praktisch veranlagt gewesen war. «Und dann verscharren wir sie in der Wüste, wie das Mädchen.»
«Genau», sagte Khaled spöttisch. «Das hat ja auch großartig funktioniert, oder?»
«Dieses Mal haben wir mehr Zeit. Wir haben die ganze Nacht.»
«Die ganze Nacht?», fauchte Khaled. «Hast du eine Ahnung, was passiert, wenn diese Leute nicht dort auftauchen, wo sie erwartet werden?» Er richtete seine Waffe auf Lily. «Wo wollten Sie hinfahren?»
«Nach Assiut», antwortete sie. Aus ihrem Gesicht war jede Farbe gewichen. «Ins Cleopatra Hotel.»
Er wandte sich wieder an Nasser. «Wenn sie nicht auftauchen, wird ihr Hotel die Behörden einschalten. Nichts macht denen mehr Angst, als wenn Ausländern etwas zustößt, besonders Fernsehleuten. Das gefährdet ihre Hotelinvestitionen, ihre kostbaren Touristendollars. Glaub mir, am Morgen wird es eine Großfahndung geben, wie du sie noch nie gesehen hast. Und zuerst werden sie hierherkommen. Und dann werden sie sofort die Reifenspuren im Sand verfolgen, die aus deinem wunderbaren Versteck führen.»
«Dann werfen wir sie eben in den Nil.» Nasser machte Wellenbewegungen mit seinen Händen, um einen im Wasser untergehenden Wagen zu demonstrieren.
Khaled schüttelte den Kopf. «Ohne gesehen zu werden? Und selbst wenn wir durch irgendein Wunder für eine Weile damit durchkommen sollten, würde die Polizei mit Sicherheit irgendwann den Fluss absuchen. Oder irgendein Fischernetz verfängtsich am Wagen. Aber das ist sowieso egal. Ihre verdammten Handys werden die Polizei direkt zu uns führen.»
«Ach so», sagte Nasser bedrückt. «Aber was sollen wir dann tun?»
«Ich versuche nachzudenken», blaffte Khaled. «Lass mir etwas Ruhe, ja?» Da er nicht wollte, dass seine Männer sahen, wie durcheinander er war, hockte er sich hin. Vielleicht konnte er die Schuld auf sie abwälzen. Es so aussehen lassen, als wäre eine Kontrolle aus dem Ruder gelaufen. Ein Schusswechsel, dem die drei Fremden und seine Männer zum Opfer gefallen waren. Aber es war eine verzweifelte Lösung. Selbst ein minderbegabter Ermittler würde sie durchschauen. Vielleicht sollten sie einen Handel abschließen. Aber auch wenn die Fremden jetzt so verängstigt waren, dass sie allem zustimmen würden, in dem Moment, in dem sie frei waren, hätten sie alles vergessen.
«Wir könnten es Terroristen in die Schuhe schieben», meinte Abdullah. «Die töten ständig Ausländer.»
«Ausgezeichnete Idee», höhnte Khaled, der die Gelegenheit nutzte, um Wut abzulassen. «Aber erzähl mir mal, welche Terroristen du meinst?» Er deutete mit dem Arm durch das verlassene Wadi. «Zeig mir deine Terroristen, dann können wir es ihnen gerne anhängen.»
«War nur ein Vorschlag, Sir.»
«In der Gegend von Amarna gibt es keine Terroristen. Wusstest du das nicht? Sie sind alle unten in Assiut und …» Er verstummte, weil ihm ein Gedanke kam. Abdullah hatte völlig recht. In Ägypten würden es nur Terroristen wagen, Ausländer einfach zu liquidieren. Bei dem kleinsten Hinweis auf Terrorismus benahmen sich intelligente Menschen wie Idioten. Wenn überhaupt jemand etwas wusste, dann glaubte man, dass diese drei heute Abend nach Assiut fahren wollten. In letzter Zeit hatte es dort unten schwereUnruhen gegeben. Khaled hatte es im Fernsehen gesehen. Straßenkämpfe, Demonstrationen. Muslimische Aufwiegler brannten vor Hass auf den Westen, weil man fünf ihrer Glaubensbrüder wegen der Vergewaltigung und Ermordung von zwei koptischen Mädchen verhaftet hatte. Und da kam ihm die Idee.
«Ja, Sir?», fragte Nasser, der seinem Chef den plötzlichen Einfall ansehen konnte. «Was ist?»
«Einen Moment», bat Khaled. Er durchdachte alles, wägte die Konsequenzen ab, überlegte, welche Mittel sie benötigten, welche Schritte sie unternehmen mussten. Es war verrückt, ja, aber die Situation war auch verrückt und erforderte verrückte Entscheidungen.
«Bitte, Sir», drängte Nasser. «Sagen Sie es uns
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