Die Jagd beginnt
und wenn du zurückkommst, ist in der wirklichen Welt möglicherweise ein Jahr vergangen oder vielleicht sogar zwanzig Jahre. Oder es könnte auch andersherum kommen. Diese Welten, diese und die anderen, sind Spiegelbilder der wirklichen Welt, sagte sie. Diese hier kommt uns blass vor, weil sie nur ein schwaches Abbild darstellt, das kaum eine Gelegenheit hatte, jemals wahr zu werden. Andere sehen beinahe wie unsere eigene aus. Sie sind genauso greifbar wie unsere Welt, und es gibt dort auch Menschen. Dieselben Menschen, sagt sie, Rand. Stell dir das vor! Du könntest auf eine dieser Welten kommen und dir selbst begegnen! Das Muster hat unendlich viele Spielmöglichkeiten, und jede davon, die existieren kann, wird auch existieren.«
Rand schüttelte den Kopf und bereute es sofort, denn die Landschaft rückte vor und zurück, und es drehte ihm den Magen um. Er atmete tief durch. »Woher weiß sie das alles? Du weißt mehr als jeder, den ich zuvor kennen gelernt habe, Loial, und alles, was du über diese Welt wusstest, war letztlich nicht mehr als ein Gerücht.«
»Sie kommt aus Cairhien, Rand. Die Königliche Bibliothek in Cairhien ist eine der größten der Welt, vielleicht die größte außerhalb von Tar Valon. Die Aiel haben sie mit Absicht verschont, als sie Cairhien niederbrannten. Sie würden kein Buch zerstören. Wusstest du, dass sie …«
»Die Aielmänner sind mir gleichgültig«, sagte Rand hitzig. »Wenn Selene so viel weiß, dann hoffe ich, sie hat etwas darüber gelesen, wie wir wieder nach Hause kommen. Ich wünschte, Selene …«
»Was wünscht Ihr von Selene?« Die Frau lachte, als sie zu ihnen aufschloss.
Rand sah sie an, als sei sie monatelang weggewesen; jedenfalls empfand er es so. »Ich wünschte, Selene würde wieder eine Weile neben mir reiten«, sagte er. Loial schmunzelte, und Rand fühlte, wie sein Gesicht brannte. Selene lächelte und sah Loial an. »Entschuldigt Ihr uns, Alantin? «
Der Ogier verbeugte sich im Sattel und hielt sein großes Pferd zurück. Zögernd sanken die Haarbüschel an seinen Ohren herab.
Eine Weile ritt Rand schweigend weiter und genoss Selenes Gegenwart. Von Zeit zu Zeit warf er ihr einen verstohlenen Blick zu. Er hätte gern seine Gefühle ihr gegenüber etwas geordnet. Konnte sie, obwohl sie es abstritt, eine Aes Sedai sein? Vielleicht von Moiraine ausgeschickt, um ihn zu lenken, damit er das tat, was die Aes Sedai für ihn geplant hatten? Aber Moiraine hatte nicht wissen können, dass er in diese fremde Welt geraten würde, und keine Aes Sedai hätte versucht, sich dieses Ungeheuer mit einem Stock vom Leibe zu halten, während sie es doch mithilfe der Macht hätte töten oder in die Flucht schlagen können. Da sie ihn für einen Lord hielt und in Cairhien wohl niemand wusste, wer er wirklich war, hätte er sie weiterhin in dem Glauben lassen können. Sie war ganz sicher die schönste Frau, die er je gesehen hatte, intelligent und gebildet, und sie hielt ihn für tapfer. Noch mehr konnte ein Mann wohl kaum von einer Frau verlangen. Das ist doch verrückt! Wenn ich jemanden heirate, dann nur Egwene, aber ich kann eine Frau doch nicht bitten, einen Mann zu heiraten, der wahnsinnig wird und sie vielleicht in Gefahr bringt. Aber Selene war so schön!
Er bemerkte, dass sie sein Schwert betrachtete. Er legte sich daraufhin seine Worte im Kopf zurecht. Nein, er sei kein Schwertmeister, aber sein Vater habe ihm das Schwert verliehen. Tam. Licht, warum kannst du nicht wirklich mein Vater sein? Er verdrängte diesen Gedanken schnell. »Das war ein großartiger Schuss«, sagte Selene.
»Nein, ich bin kein …«, begann Rand und blinzelte. »Welcher Schuss?«
»Dieses Auge war ein winziges Ziel und bewegte sich auch noch. Dazu auf hundert Schritt Entfernung! Ihr seid ein großartiger Bogenschütze.«
Rand rutschte nervös im Sattel umher. »Äh … danke. Das ist ein Trick, den mir mein Vater beigebracht hat.« Er erzählte ihr von dem Nichts und wie Tam ihn gelehrt hatte, es auf das Bogenschießen anzuwenden. Nach einer Weile wurde ihm bewusst, dass er sogar von Lan und seinen Übungsstunden mit dem Schwert erzählt hatte. »Das Einssein«, sagte sie, und es klang befriedigt. Sie bemerkte seinen fragenden Blick und fügte hinzu: »So wird es … an einigen Orten genannt. Das Einssein. Um es wirklich anwenden zu können, ist es am besten, Ihr hüllt Euch ständig darin ein und lebt gewissermaßen darin, habe ich gehört.«
Er musste nicht erst darüber
Weitere Kostenlose Bücher