Die Jagd beginnt
nachdenken, was im Nichts auf ihn wartete, um seine Antwort zu kennen, aber er sagte trotzdem: »Ich werde darüber nachdenken.«
»Hüllt Euch die ganze Zeit über in Euer Nichts ein, Rand al’Thor, und Ihr werdet lernen, es noch auf ganz andere, nicht geahnte Weise anzuwenden.«
»Ich sagte, ich werde darüber nachdenken.« Sie öffnete erneut den Mund, aber er schnitt ihr das Wort ab: »Ihr wisst über das alles so gut Bescheid. Über das Nichts – das Einssein, wie Ihr es nennt. Über diese Welt. Loial liest die ganze Zeit Bücher; er hat mehr Bücher gelesen, als ich je gesehen habe. Aber er hat niemals mehr als nur das Fragment eines Textes über die Steinsäulen entdeckt.«
Selene richtete sich kerzengerade im Sattel auf. Plötzlich erinnerte sie ihn sehr an Moiraine und an Königin Morgase, wenn sie zornig waren.
»Es gab ein Buch über diese Welten«, sagte sie mit angespannter Stimme. » Spiegel des Rads. Wie Ihr seht, hat der Alantin nicht alle Bücher gesehen, die darüber existieren.«
»Was bedeutet diese Bezeichnung Alantin , die Ihr immer benutzt? Ich habe noch nie …«
»Der Portalstein, neben dem ich erwachte, liegt dort drüben«, sagte Selene. Sie deutete auf die Berge östlich des Weges. Rand ertappte sich dabei, dass er sich nach ihrer Wärme und ihrem Lächeln sehnte. »Wenn Ihr mich dorthin bringt, wie Ihr versprochen habt, kann ich nach Hause zurückkehren. Wir könnten in einer Stunde dort sein.«
Rand achtete kaum darauf, wohin sie deutete. Den Stein benutzen – den Portalstein, wie sie ihn genannt hatte –, bedeutete, die Macht anzuwenden, damit er sie zurück in die wirkliche Welt brachte. »Hurin, wie verläuft die Spur?«
»Schwächer als je zuvor, Lord Rand, aber sie ist noch da.« Der Schnüffler bedachte Selene mit einem flüchtigen Grinsen und einem Kopfnicken. »Ich glaube, sie biegt allmählich nach Westen ab. Dort gibt es ein paar leichtere Pässe nahe der Spitze des Dolchs, wenn ich mich richtig an meine Reise nach Cairhien erinnere.«
Rand seufzte. Fain oder einer seiner Schattenfreunde muss einen anderen Weg kennen, die Steine zu benutzen. Ein Schattenfreund kann die Macht nicht gebrauchen. »Ich muss dem Horn folgen, Selene.«
»Woher wisst Ihr, dass Euer begehrtes Horn sich überhaupt auf dieser Welt befindet? Kommt mit mir, Rand. Ihr werdet Eure Legende finden, das verspreche ich Euch. Kommt mit mir.«
»Ihr könnt diesen Portalstein, selbst benutzen«, sagte er hitzig. Bevor er die Worte noch ganz ausgesprochen hatte, bereute er sie bereits. Warum muss sie ständig von Legenden reden? Stur zwang er sich zum Weiterreiten. »Der Portalstein hat Euch nicht von allein hergebracht. Ihr habt das getan, Selene. Wenn Ihr den Stein dazu gebracht habt, Euch hierher zu bringen, könnt Ihr ihn auch dazu benutzen, dass er Euch zurückbringt. Ich bringe Euch hin, aber dann reite ich weiter dem Horn nach.«
»Ich weiß nichts über die Benutzung der Portalsteine, Rand. Falls ich etwas getan habe, weiß ich selbst nichts davon.«
Rand betrachtete sie. Sie saß mit geradem Rücken in ihrem Sattel und wirkte so edel wie zuvor, wenn auch vielleicht etwas weicher. Stolz und doch verwundbar, und sie brauchte ihn. Er hatte sie für etwa gleich alt wie Nynaeve gehalten – ein paar Jahre älter als er selbst – doch das war falsch gewesen, erkannte er jetzt. Sie war eher in seinem Alter und schön und sie brauchte ihn. Der bloße Gedanke an das Nichts ging ihm durch den Kopf. Und natürlich an das Licht. Saidin . Um den Portalstein zu benutzen, müsste er wieder in dessen Verderbtheit eintauchen.
»Bleibt bei mir, Selene«, bat er. »Wir werden das Horn, Mats Dolch und einen Weg zurück finden. Das verspreche ich Euch. Bleibt nur bei mir.«
»Ihr seid immer …« Selene holte tief Luft, wahrscheinlich um sich zu beruhigen. »Ihr seid immer so unnachgiebig. Na ja, ich kann Unnachgiebigkeit an einem Mann nur bewundern. An einem Mann, der immer gleich alles tut, was man von ihm will, ist nicht viel dran.«
Rand errötete. Das klang sehr nach den Dingen, die ihm Egwene gelegentlich sagte, und sie waren sich ja seit ihrer Kindheit sozusagen als Eheleute versprochen. Diese Worte von Selene zu hören und den Blick zu bemerken, den sie ihm dabei zuwarf, das erschreckte ihn. Er wandte sich hastig Hurin zu, um ihm zu sagen, er solle sich beeilen.
Hinter ihnen ertönte aus einiger Entfernung plötzlich ein Grunzen. Bevor Rand den Braunen herumreißen konnte, um sich umzusehen,
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